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Zweimal Bartök: Kurtz und Solti

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An Stelle des verhinderten Paul Klecki leitete Efrem Kurtz das 2. Konzert im Zyklus „Die große Symphonie“. Der schlanke Sechziger, in Wien nur durch seine vielen Schallplatten (mehr als drei Millionen) bekannt, war vor 193 3 Generalmusikdirektor in Stuttgart, darnach Leiter mehrerer amerikanischer Ensembles und nach 1945 ständiger Dirigent des Cansas-City- und mehrerer europäischer Orchester. — Sein Konzert im Großen Musikvereinssaal begann Herr Kurtz mit der Sinfonia B-Dur von Johann Christian Bach, die die Symphoniker ohne besondere Emotion und sonstige Kennzeichen spielten. Von der das Konzert beschließenden 4. Symphonie von Tschaikowsky kann man dal nicht behaupten. Sie war die weitaus langsamste, die wir je“ gehört' haben (mit 47 MihilteS tag sie um 'volle sieben' Mimü ten über dem langjährigen Durchschnitt) — und die ausdrucksvollste, an die wir uns erinnern können. Das ist eine Musik, die Herr Kurtz bis in die Faser versteht und die ihm auch ausgezeichnet liegt. Dazwischen stand Bart6ks 3. Klavierkonzert, dessen Solopart von dem jungen Ungarn Gabor G a b o s (Jahrgang 1930) gespielt wurde, der in der Zeit von 1953 bis 1960 vier internationale Preise erhalten hat. Was bei der Interpretation dieses Werkes an Intensität und Spannung vorhanden war, ging mehr vom Pianisten als vom Dirigenten aus. Auch zeigte sich, daß dieses im Todesjahr des Komponisten vollendete Werk, dem man höchste Meisterschaft, klassische Vollkommenheit und weiseste Ökonomie der Mittel nachrühmt, sehr auf die Interpreten angewiesen ist. Es gehört keineswegs zu den Stücken, die „nicht umzubringen“ sind...

Zu diesen gehört eher Bartöks 1923 geschriebene und bei der Fünfzigjahrfeier der Vereinigung von Buda und Pest ur-auf geführte „Tanzsuite“, ein sehr charakteristisches Werk für den „mittleren Bartök“, der die Synthese zwischen Folklore. hochgespannter Geistigkeit, Kontrapunkt und neuen raffinierten Orchesterfarben suchte. Diese kühne und brisante Orchestersuite hatte Bartöks Landsmann Georg Solti in den Mittelpunkt des von ihm geleiteten 3. Abonnementkonzerts der Philharmoniker gestellt. Die fünf kurzen Sätze wurden nicht nur brillant, sondern auch mit der nötigen Intensität und Härte gespielt, was unserem an solche Töne wenig gewöhnten Meisterorchester nicht ganz leicht gefallen sein mag. Brillant war auch die Wiedergabe der „Symphonie fantasti-que“ von Hector Berlioz, die aber, je öfter man sie hört, um so länger und banaler wirkt. Solti erhellte diese fünf romantisch-phantastischen Sätze mit viel-tausendkerzigen Scheinwerfern — und das ist ihnen nicht gut bekommen. — Die eingangs gespielte „kleine“ g-Moll-Sym-phonie von Mozart geriet ein wenig unruhig und spannungslos. Das Orchtester war in bester Form.

Im Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses gastierte das Tschechische Nonett, ein durch seine Teilnahme an vielen internationalen Musikfestspielen während der letzten lahre zu Weltruhm gelangtes Ensemble, dem man in der Tat nur das Beste nachsagen kann und für das, seit seiner Gründung, 1923, schon mehr als 100 Kompositionen geschrieben wurden. Das im Todesjahr des Komponisten (1959) fertiggestellte Nonett Bohuslav M a r t i n u s gehört nicht zum Stärksten dieser sehr reizvollen Gattung. Da ist Louis Spohrs F-Dur-Nonett, das er auf Bestellung eines Znaimer Tuch-fabrikanten, eines gewissen Herrn von Tost, schrieb, bedeutend interessanter und ergiebiger. Das weitaus unterhaltsamste Stück des Abends war aber zweifellos Sergei Prokofieffs Quintett, das aus einer Partitur entstanden ist, die der damals in Paris lebende Komponist für ein Zirkusballett geschrieben hat. Es hieß ursprünglich „Trapez“, und Prokofieff meinte, ein Werk geschaffen zu haben, das seinen Zeitgenossen unverständlich ist, dafür aber später wiederentdeckt würde ... Wie sich die Zeiten ändern I Diese paar Dissonanzen tun heute niemandem mehr weh. Dieses Trapez schwingt dicht über dem Boden. Trotzdem hat sich seine Wiederentdeckung gelohnt.

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