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„Don Giovanni“ als Puppenspiel

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Wahrend es für den Kalendergläubigen noch gute vierzehn Tage bis zur Eröffnung der Salzburger Festspiele sind, haben sie für den eingeweihten Kenner der Salzachstadt schon begonnen. Denn wie unscheinbar sich nach außenhin ein Puppenspiel neben den glanzvollen Darbietungen der Welstars auch ausnehmen mag, die Premiere von Mozarts „Don Giovanni“ auf dem Salzburoer Marionettentheater war ein Festspiel im wahrsten Sinne des Wortes.

Wir haben viele Aufführungen des Geniewerkes gesehen, auch manche unvergeßliche war darunter. Aber nur ganz wenige haben uns den Geist und die Natur Mozarts so unmittelbar nahegebracht wie diese. Idee und Wirklichkeit der Oper waren vollkommen kongruent. Man ist in Verlegenheit, will man eine Erklärung dafür geben. Vielleicht kommt das krea-türliche Preisgegebensein, die Unabänderlichkeit der Bestimmung zum Guten wie zum Bösen, die Hilflosigkeit vor den das Leben formenden Gewalten im Spiel der hölzernen Puppen sinnfälliger zum Ausdruck als in menschlicher Darstellung. Vielleicht auch ist die Übereinstimmung zwischen Aktion und Musik auf der großen Opernbühne nie so total wie auf der mechanischen. Freilich geht ja die Bewegung der Marionetten von den Fingern der Puppenspieler aus, es gäbe also menschliche Fehlerquellen genug. Aber da muß eben noch etwas gesagt werden: Der ersten Aufführung ging eine zweijährige Probenarbeit

voraus. Wo ist das heutzutage sonst noch denkbar? Stanislawskij hat davon geträumt. Doch die Realität unseres Theaters läßt eine derart intensive Beschäftigung mit einer Aufgabe nicht zu.

Hermann Aicher und seine Mitarbeiter haben zwei Jahre lang geprobt und sind mit jeder Probe tiefer in die Geheimnisse des Werkes eingedrungen. So haben sie neben der Perfektion in der Bewegung, die den Zufall nahezu ausschließt, auch die innersten Bezirke des Dramas selbst erreicht. Die Produktionsleitung hat Gretl Aicher. Sie führt daneben die Figur des Don Giovanni und ist wohl die Seele der Aufführung. Hier ist auch die Bewegungsregie von Sylvia Wen-schau zu rühmen. Das Fest im Schloß erhielt Szenenapplaus. Wann auch haben sich je die Mitglieder eines Opernchors mit solcher Grazie bewegt! Und dann die Besetzung der Gesangspartien. Natürlich auf Tonband, aber immerhin: Cesare Siepi, Leontyne Price, Birgit Nils-son, Eugenia Ratti, um nur einige zu nennen — wann und wo findet man sie alle sonst beisammen? Das Dekor stammt von Günther Schnei-der-Siemssen und zaubert eine phantastische Märchenwelt auf die Bühne. Die Rezitative sind hervorragenden Sprechern anvertraut. Gegen die gereimte Neufassung dieser Texte durch Albert Lippert wäre einiges einzuwenden, doch angesichts der Kostbarkeit des Ganzen fällt es leicht, jede kritische Regung zu unterdrücken.

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