6638132-1957_27_15.jpg
Digital In Arbeit

Giselher Klebes Zwölfton-„Räuber“

Werbung
Werbung
Werbung

Die Deutsche Oper am Rhein, im Vorjahr als Gemeinschaftsinstitut der Städte Düsseldorf und Duisburg unter der Intendanz von Dr. Hermann Juch gegründet, hat gegen Ende ihrer ersten Saison, während sie anfangs manches zu wünschen übrig ließ, mit Riesenschritten aufgeholt. Im wesentlichen erhielt sie so etwas wie ein neues programmatisches Rückgrat seit der erfolgreichen Wiedererweckung von Janačeks „Sache Makropoulos“, und im Rahmen einer spielzeitbeschließenden „Woche des zeitgenössischen Musiktheaters“ holte sie kürzlich in Düsseldorf noch zum entscheidenden Schlag aus — zur' Uraufführung von Giselher Klebes Schiller-Oper „Die Räuber“. Was da geschah, war kaum weniger denn ein Wunder: anläßlich dieser Uraufführung nämlich wurde eines der kompliziertesten Werke der jüngsten Opernliteratur ungeachtet der „Zwangs“anwesenheit zahlreicher Abonnenten zu einem ausgesprochenen Publikumserfolg. 35 (!) Schluß vorhänge bekam Klebes für die bis zum letzten i-Tüpfelchen kompromißlose Zwölftonoper mit auf den Weg, und ein knappes Dutzend „halbstarker“ Pfiffe von der Galerie kurbelte diesen Enthusiasmus praktisch mehr an, als jede organisierte Claque es vermocht hätte

Giselher Klebe, Jahrgang 1925, hat sich an Schönberg und Webern orientiert, ehe er die ersten Ansätze zu einem eigenen Weg fand. Zwei Ballette und eine musikalische Szene schrieb er gleichsam als Vorstufen zu seinem abendfüllenden Opernerstling, den „Räubern“. Mit der Ausarbeitung des Librettos dazu hat er 1951 begonnen, fünf Jahre später schloß er die Partitur ab. Der Text besteht aus kaum mehr als einem Viertel des Schillerschen Originals, dem Klebe fast nichts hinzufügte, doch durch Umstellungen einen neuen dramaturgischen Bogen gab. Tatsächlich hat er es fertiggebracht, so einen elementaren Kern des Geschehens wie der Idee bloßzulegen und eine sehr vorteilhafte szenische Ballung zu erzielen. Amalia, bei Schiller fast ve.nachlässigt, ist zu einer Schlüsselfigur geworden. Die Symbol- und Zeichensprache von Klebes unheimlich fein verästelter Reihenkomposition ist zudem kongenial durch das zum Teil auf Symbole reduzierte Libretto vorgezeichnet. Aber für den unbefangenen Hörer besteht , das Erlebnis primär darin, daß er echtes, im zweiten Teil sogar bis zum Bersten dynamisches Musiktheater vorgesetzt bekommt, ohne daß er sich auch nur einen Augenblick lang auf die Bedeutung der spezifischen . Tonreihen konzentrieren muß.

Aus den fünf Akten Schillers hat Klebe vier zu je zwei Szenen gemacht. Die ersten zweieinhalb Akte freilich benutzt er nur dazu, die Figuren im ausgeklügelt seriellen Notenbild zu charakterisieren, doch unmittelbar darauf, beginnend mit einer packenden Simultanszene, entfesselt er die absolute Verwirklichung großen Musikdramas, und die vorletzte Szene etwa — der alte Moor im Hungerturm — rührt mit großartiger textlich-musikalischer Kongruenz an das Format des Bergschen „Wozzeck“. Indessen bleibt die Instrumentation auf lange Strecken kammermusikalisch-subtil (solistisch behandelte Cembali sind führend beteiligt), und die Singstimmen klingen keineswegs halsr brecherischer als eben bei — Alban Berg.

Aber wenn der stürmische Düsseldorfer Beifall vornehmlich die Quittung für Klebes glänzenden Erstling war, so galt er in zweiter Linie fraglos auch der mustergültigen Interpretation. Hohes Lob gebührt in diesem Zusammenhang praktisch allen Beteiligten: dem Regisseur Günter Roth, dem Ausstatter Dominik Hartmann, den (vom Komponisten noch nicht allzu glücklich gemeisterten) Chören Hans Franks, der überaus verständigen musikalischen Leitung des jungen Berliner Kapellmeisters Reinhard Peters sowie den ausgezeichneten Solisten Elisabeth Schwarzenberg-Czernohorsky, Helmut Föhn, Wilhelm W. Dicks, Walter Beißner und Josef Prehm.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung