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Nestroy-Oper in Basel

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Ob der Schweizer Opernkomponist Heinrich Sutermeister die hohen Erwartungen, die man auf Grund von „Romeo und Julia“ in ihn gesetzt hatte, bisher erfüllte, kann man verschieden beurteilen. Nach der Uraufführung seines neuesten Werkes, der nach Nestroys „Talisman“ auf ein eigenes, äußerst wirkungsvoll konzipiertes Libretto geschriebenen Oper „Titus Feuerfuchs“ („Liebe, Tücke und Perücke“) wird man wohl feststellen dürfen, daß er einen neuen Höhepunkt in seinem Schaffen erreicht hat. Sutermeister gehört gewiß nicht zu den Pionieren neuer Musik. Er ist vielmehr ein musikalischer Elektriker, der es auf recht handfeste Art versteht, Erbe verschiedener Meister und Stile zu sein. Die Parodie und die vom Psychologischen ausgehende Karikatur sind die Grundformen der dramatischen Gestaltung beim satirischen Sprühteufel Nestroy wie beim' dramaturgisch äußerst effektsicheren Komponisten. Das Moment der Parodie beherrscht das ganze Werk. Wenn man in früheren Opern Sutermeisters manchmal gar zu deutlich die erste Hand, aus der er seine Musik (meist nicht wörtlich) empfangen, herübergrüßen sah, so deckt sich hier im „Titus“ jede musikalische Uebernahme vollständig mit dem szenischen Geschehen. Das Gros der Parodien ist auf die italienische Belkanto-Oper gemünzt. Die naive Gänsemagd Salome singt Wiener Drehorgelmotive und ist dadurch meisterhaft charakterisiert. Auch textliche Parodien gibt es im Libretto Sutermeisters, die zu den schon bei Nestroy vorkommenden noch hinzuzurechnen sind. Da wandelt die dilettierende Gräfin von Cypressenburg deutlich auf Heideggers Holzwegen, wenn sie in einer selbst komponierten Ode, vorgetragen in einem den Höhepunkt der Oper bildenden Hauskonzert, vom „Da-Sein“, vom „All-Sein“ und vom „Wissen-Um“ faselt. Die Wurzeln der Kunst Nestroys und Sutermeisters reichen durch die Schichten des französischen Vaudevilles („Bonaventure“ von Düperti und 4eJ Cisüfey) hinab bis in das ungemein' frhchtbare'Etdre5c*yer*Comirte“ia“fell'arte.tÜ stehen die ältesten Typen der Oper ungebrochen auf der Bühne: Herrin, Diener, Liebespaare, Räuber und so fort. Verkleidung (mit Perücken und Kleidern), Verfluchung, Rettung stehen im Mittelpunkt der stets burlesken Handlung — kurz: Liebe, Tücke und Perücke. Sutermeisters gToße Begabung besteht darin, all diese verschiedenen Parodien und heterogenen musikalischen Mittel, die, abgesehen von ihrer Rhythmik, keinen großen Eigenwert haben, szenisch ungemein wirkungsvoll zur Synthese zu bringen. Es ist dies die Begabung eines schöpferisch begabten Tonregisseurs. Noch nie hat sich diese souveräne handwerkliche Meisterschaft so sehr gedeckt mit den szenischen Vorgängen, weshalb wir diesen heiteren, ungemein durchschlagskräftigen „Titus Feuerfuchs“ als eines der gültigsten Werke der Sutermeisterschen Muse betrachten.

Den rothaarigen, von allen verspotteten Feuerfuchs Spielte Jindf.sang, überlegen Marcel.Co r d e s .&.Gajj£'.,~“ Die hintereinander im Sirme gesellschaftlichen Avancements eroberten Frauenzimmer Salome, Flora Baumscheer, Constanzia und Gräfin wurden glänzend verkörpert durch Ingeborg WieSer. Ingebörg Felderer, Herta Schomburg und Sabine Zimmer. Die musikalische Leitung hatte der impulsive junge Kapellmeister Silvio Varviso inne. Die Regie lag in den Händen Direktor Hermann W e d e k i n d s, der mit dieser im Rahmen der Basler Mustermesse gegebenen Galavorstellung seine bisher beste Basler Inszenierung bot. Der Bühnenbildner Max B i g n e n s schuf für die zwei Akte und fünf Bilder einen duftigen Altwiener Bilderbogen.

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