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Aschenbrödel tanzt wieder!

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Zuerst hat man es im Eck stehen lassen, dann totgeschwiegen und schließlich ausschließlich in Operetteneinlagen verschrotet. Doch das Wiener Volksopernballett scheint, Gott sei Dank, nicht unterzukriegen zu sein. Aschenbrödel tanzt jedenfalls wieder. Und der neue Start ist nicht nur ein Spaß fürs Publikum geworden. Er hat auch gezeigt, daß man mit dieser Truppe konsequent Aufbauarbeit leisten müßte, um ihr dann eine große Aufgabe zu übertragen: Sie müßte jenes heitere Genre präsentieren, das in der Wiener Tanzszene völlig fehlt…

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Zuerst hat man es im Eck stehen lassen, dann totgeschwiegen und schließlich ausschließlich in Operetteneinlagen verschrotet. Doch das Wiener Volksopernballett scheint, Gott sei Dank, nicht unterzukriegen zu sein. Aschenbrödel tanzt jedenfalls wieder. Und der neue Start ist nicht nur ein Spaß fürs Publikum geworden. Er hat auch gezeigt, daß man mit dieser Truppe konsequent Aufbauarbeit leisten müßte, um ihr dann eine große Aufgabe zu übertragen: Sie müßte jenes heitere Genre präsentieren, das in der Wiener Tanzszene völlig fehlt…

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Von der „Puppenfee” über den „Zauberladen” bis zu „Titus Feuerfuchs” oder auf dem ernsteren Sektor Werke von Purcells „Feenkönigin” bis zu Gilbert und Sullivans „Patience” …

Doch das ist Zukunftsmusik. Und ich kann mir denken, wieviel Unbehagen solche Gedanken manchem bereiten, der in der Volksoper am liebsten nur auf ausgelatschten Wegen geht und sich über Gewinnung neuer Publikumsschichten lieber keine Gedanken macht. Realität ist allerdings nun eine hübsche, sehenswerte Aufführung von Erika Hąnkas Nestroy- Ballett „Titus Feuerfuchs” (zu Musik von Johann Strauß). Gerhard Senft hat das wirbelige Spiel um den Rotkopf Titus zwar mit originellen Einfällen nicht über die Maßen verwöhnt. Aber er hat etwas geleistet, das man ihm gar nicht hoch genug anrechnen kann: seine Choreographie zeigt das Ensemble von der besten Seite. Was sie tanzen, hat Zuschnitt, sitzt. Und das ist weitaus mehr wert, als wenn das

Volksopernballett mit einer technisch vertrackten Superchoreographię baden gegangen wäre.

Erfreulich sind vor allem die Solisten dieses „Titus”: Ivan Jakus füllt den Titelpart mit Temperament, schönen großen Bewegungen, charakterisiert ausdrucksvoll. Christina Klein tanzt das ihm vom Schicksal zugeteilte „rotkopferte” Gänsemädchen Salome Pockerl mit Gespür für diese verzuk- kerte Heiterkeit; Melitta Ogrise, Helly Svoboda, Anna-Luise Schubert umgarnen den armen Rotkopf mit aller Aufdringlichkeit, die in diesen Rollen liegt. Das biedermeierliche Bühnenbild, süß wie gesponnener Zucker, entwarf Rolf Langenfass mit sicherem Geschmack selbst dort, wo er maßlos übertreibt.

Auch das Staatsopernballett steuerte zu dieser Einstandsgala etwas bei, und zwar die Uraufführung von Heinz Spoerlis „Faschingsschwank aus Wien” nach Klavierstücken Robert Schumanns. Ein Tanzspiel in einem Salon (exquisite Ausstattung: Pantelis Dessyllas) … flüchtige Ballaffären und zartes Liebesleid, walzende Paare und posierende Gesellschaft… Die Nähe zu Balanchines „Liebeslieder- Walzer” lastet allerdings schwer auf dieser Neuschöpfung. Und nimmt diesem an sich sehr reizvollen Ballett eine Menge. Denn den Vergleich mit Balanchines tief ausgeloteter Apotheose des klassischen Tanzpaars hält Spoerlis Stück nicht aus. Dazu ist es zu gefäl lig und oberflächlich. Trotz vielen hübschen Momenten. Allerdings zeigt diese Aufführung die junge Riege des Staatsopemballetts in imponierendem Einsatz: Christine Gaugusch und Heinz Heidenreich, Elisabeth Schüller, Ludwig Karl und Heinz Totzier gewinnen zunehmend Farbe, wirken von Mal zu Mal persönlicher, freier. Ein vielversprechendes junges Team.

Auch junge Wiener Choreographen hatten in der Ballettwerkstatt an der Wien Gelegenheit, sich vorzustellen: Andrea Campianu, Ursula Szameit, Michael Birkmeyer und Felicitas Benitz. Und dieses Mini-Nachtstudio bewies, wie wichtig solche Werkstattabende wären. Einfach als Kontrolle für alle, die da das choreographische Handwerk betreiben möchten. Denn im Moment merkt man geradezu erschreckend, daß diesen jungen Tänzern jede choreographische Erfahrung fehlt, daß sie kaum imstande sind, Musik in Bewegung umzusetzen und eine klare Form aufzubauen.

Das ist Wiens Manko: Daß man im Grunde Choreographie hier nicht als Schulhandwerk bei großen Choreographen studieren kann und daß es keine Studioballett-Möglichkeiten gibt, keine Gelegenheiten, sich in kleinen, auch experimentellen Stücken zu profilieren. Und das ist leider auch die Antwort auf die so oft gestellte Frage: „Warum gibt es keine großen österreichischen Choreographen?” Höchste Zeit, etwas zu tun.

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