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Spielzeiteröffnung in Graz

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Mit sö großen Erwartungen — nicht nur des Publikums — hatte schon lange keine Grazer Theatersaison begonnen wie diese. Der Improvisation und dem Fortwursteln während der vergangenen Jahre sollte nunmehr ein Ende gesetzt werden. Der neue Geist zeigte sich auch tatsächlich schon bei Spielzeitbeginn: in der Außenrenovierung des Opernhauses und durch wichtige Verbesserungen des technischen Apparates, vor allem aber in der Bestellung neuer Männer für die Führung: da ist Fritz Zaun, der Operndirektor, der sich seinen Grazer Aufgaben nun anscheinend wirklich mehr zu widmen gewillt ist als bisher, und Ludwig Andersen als Direktor des Schauspiels, erfahrener, überlegener Kenner, ehemaliger Burgschauspieler und imponierende Persönlichkeit. Ihm zur Seite steht Dr. Heinz Gerstinger als Dramaturg, dessen fachkundige Hand und literarischer Geschmack allenthalben wohltuend zu spüren sind.

Während die Oper mit dem „Freischütz“ unter Zauns Leitung eröffnete und damit einer Reihe von glückhaften sängerischen Neuverpflichtungen Gelegenheit zur Vorstellung und dem Regisseur Andre D i e h 1 die Möglichkeiten zu einer Inszenierung fern aller Gartenlaubenromantik durch Neu-Bayreuther Lichtmalerei bot, begann das Schauspiel mit einem aparten Dreiklang: großes Drama, neu gesehen („Peer Gynt“), Ehrenrettung der großen Zeit des Wiener Volkstheaters (Hafners „Furchtsamer“) und Auseinandersetzung mit Problemen unserer Generation („Colombe“ von Anouilh).

Wie ernst es dem Regisseur Günther Sauer mit dem gründlichen Entstauben von Ibsens Gedicht war, zeigte nicht nur der gegenüber der ansonsten originelleren Wiener Lindtberg-Auf-führung herbere Stil der Inszenierung, der ziemlich kompromißlos durchgehalten wurde, sondern auch die in Munchscher Schwarzweißtechnik gehaltenen Bilder H. Ludwigs und vor allem der Verzicht auf Griegs Musik zugunsten einer wesentlich illustrativeren und dem Stil der Aufführung adäquaten Untermalung von Waldemar Bloch. Die Darstellung des Peer Gynt ist für Norbert Ecker eine reife Leistung und ein gewaltiger Sprung nach vorne.

Um die wahre Bedeutung Philipp Hafners, der so etwas wie ein österreichischer Goldoni hätte werden können, deutlich zu machen, kann man nur den Weg der literarisch-historischen Aufführung beschreiten. Sucht man die Hanswurstkomik dem so viel weniger naiven und dafür um so komplexeren Empfinden unserer Zeit anzupassen, so verwässert man sie. So ähnlich sieht* auch die Wiederbelebung, bei deren „Modernisierung“ auch der Name Joseph Gregors aufscheint, in den Kammerspielen aus. Trotz aller bewundernswerten Ausnutzung der kleinen Bühne (Regie: Josef Krastel), trotz guten Einfällen und der Bombenrolle Fritz Zechas wird der Urtext oft surchargiert, zieht sich dadurch in die Länge, wogegen auch die unvermeidliche Opernparodie nichts vermag; vollends fällt der im Original schon unbefriedigende Schluß auch in der Bearbeitung ziemlich ab. ■— Den Zuschauern gefällt's ein bißchen, weil sehr anständig gespielt wird, zum Teil aber wissen sie nichts Rechtes damit anzufangen.

Das wissen sie zwar bei Anouilhs Drama „Colombo“ (österreichische Uraufführung, Regie Harald Benesch) auch nicht immer. Aber die Pointen und Apercus sind absolut treffsicher, die Sprache und die Heldin manchmal recht unverhüllt, das „Jugendverbot“ höchst wirksam: das alles macht das Stück zum Kassenmagneten.

Als Mittelpunkt, zwar nicht der Handlung, doch des Erfolges, beherrscht Rosa Dybal-Kadle als Prachtstück eines Tragödinnenmonstrums die Bühne und den Abend.

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