6689275-1962_30_15.jpg
Digital In Arbeit

Zu schwierig für Holland?

Werbung
Werbung
Werbung

Kein anderes ausländisches Theaterensemble gastiert so regelmäßig beim Holland-Festival wie das Wiener Burgtheater. Zum fünften Male wurde ein Gastspiel von sieben Vorstellungen in der ersten Sommerhälfte in Amsterdam, den Haag, Rotterdam und Utrecht gegeben. Alle Abende waren glänzend besucht, in Amsterdam wohnte Königin Juliane, in den Haag Kronprinzessin Beatrix einer Aufführung bei.

Die ganze reichhaltige Skala des österreichischen Menschentypus wurde im Laufe der letzten Jahre durch die Vorstellungen des Burgtheaters mit Schnitzlers „Liebelei“, Hermann Bahrs „Das Konzert“, Nestroys „Der Zerrissene“, Hofmannsthals „Der Unbestechliche“ und nunmehr „Der Schwierige“ dem nieder-landischen Theaterpublikum vorgeführt. Hierdurch wurde das landläufige Bild vom „weichen“ Österreicher in der Vorstellung des Holländers etwa.; umgeprägt.

Mit Hofmannsthals nunmehr gezeigtem Werk wurde wahrscheinlich das feinsinnigste, sicherlich aber auch das am schwierigsten verständliche Bild eines Menschen und einer Zeit geboten, zu der nur noch wenige eine echte Beziehung haben dürften. Es war auch deutlich merkbar, wie sehr selbst für Besucher, die die deutsche Sprache sehr gut beherrschen, das Verständnis dieses so eigenartig gefärbten Wienerisch der aristokratischen Gesellschaft des Wiens der Jahrhundertwende Schwierigkeiten verursachte. Durch diese Umstände fand auch die Aufnahme der so brilliant gespielten Vorstellung in der bekannten Wiener Inszenierung durch Ernst Lothar nicht jenen Anklang, den sie sicherlich verdiente. Der Beifall war herzlich und stark, erreichte aber nicht jene stürmischen Ausmaße, wie vor kurzem in Zürich, wo über 40 Vorhänge am Schluß nach der Vorstellung gezählt wurden.

Von den vielen, im allgemeinen recht guten Kritiken — es gab leider auf Grund der zu geringen Vorbereitungszeit für die Haager Premiere, die gewisse Mängel zeipte, auch einige sanfte Verweise — fraf der Berichterstatter der „Haagsche Mourant“, der sehr angesehene Ben van Eysselsteijn. ins Schwarze u. a. mit folgenden Zeilen: „Was die Schauspieler des Burgtheaters betraf, sie formten ein ideales Schauspielermaterial; es erwies sich, daß jeder in jeder Weise mit den Schwierigkeiten, welche der Autor ihnen stellte, fertig wurde. Nicht das gleiche kann jedoch vom Zuschauermaterial gesagt werden, welches bis zum letzten Platz das Theater füllte. Ein Stück wie ,Der Schwierige' erfordert bei den Zuschauern Begriff und Kenntnis hinsichtlich der literarischen Situation und Periode, in der das Stück geschrieben wurde. Neben diesen, für Holländer bereits komplizierten Umständen, ist noch ein Scharm in diesem Lustspiel, der für viele ein großes Handicap zu werden schien: der Gebrauch einer wienerischen Sprache und des Jargons' von Stadt und Stand, die der Dichter so meisterlich beherrschte, die jedoch für viele nur mit Mühe und nur teilweise verständlich war ...“

In den vorhergehenden Berichten über das Burgtheatergastspiel beim Holland-Festival im „Der Furche“ wurde bereits wiederholt vom Unterzeichneten darauf hingewiesen, daß man von dieser berühmten Bühne auch einmal eine Klassikervorstellung sehen möchte. Leider sind jedoch die Spesen für eine solche Vorstellung durch die meistens größere Besetzung und Inszenierung bedeutend höher und für das Budget des Hollandfestivals unerschwinglich. Die hier gastierenden deutschen Bühnen erhalten öfters von der Regierung der Bundesrepublik Subventionen. Diese Möglichkeit, bisher in Wien abgelehnt, wäre doch vielleicht einmal ernstlich in Erwägung zu ziehen, denn gerade das Burgtheater hat auch in den Niederlanden den Ruf eines der bedeutendsten Theater des deutschen Sprachkreises zu vertreten. Aber auch ein modernes Theaterstück, womöglich eines österreichischen Autors, mit allgemein gültiger und interessierender Problemstellung wäre sehr willkommen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung