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„Allzeit getreu“

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Als die Donaumonarchie nach den Napoleonischen Kriegen die Lombardei und das südliche italienische Tirol wieder zurückerhielt und ebenso Venetien, Meß sie viele Einrichtungen, die das napoleonische Regime geschaffen hatte, bestehen. Sie ließ auch fast alle Beamten im Amt, ebenso die Polizisten, sie anerkannte den von Napoleon verliehenen Adel

und war sogar bereit, den manchmal nur persönlich verliehenen in einen erblichen umzuwandeln. Sie übernahm den von dem Korsen geschaffenen Orden der Eisernen Krone und wandelte ihm zum kaiserlich-österreichischen Orden der Eisernen Krone um, der bis 1918 eine der begehrtesten Auszeichnungen des Donaureiches blieb. Von den alten vor-na^poleonischen österreichischen Einrichtungen führte sie nur w'eder den maria-theresianischen Kataster und die maria-theresianische Gemeinde-

Ordnung ein, Institutionen, deren Wiedererrichtung die lombardische Bevölkerung stürmisch verlangt hatte. Die österreichische Verwaltung in den italienischen Gebieten unterschied sich somit wohltuend von den übrigen italienischen Staaten, die aus lauter Haß gegen Napoleon auch die vernünftigsten Reformen, die er eingeführt hatte, wieder abschafften,

wie zum Beispiel die Kuhpockenimpfung und die Straßenbeleuchtung. Österreich schaffte nach 1815 in diesen Gebieten auch die bisher geltende Strafe der Galeere und ebenso den Pranger ab, während zum Beispiel Piemont die Strafe des Prangers mit aller Schärfe handhabte und das Meine Fürstentum Lucca sogar für gewisse Vergehen wieder die Verbrennung auf, . <Jem^ Schejt^}ynjfen einführte. Eine der Institutionen, <iie Österreich auch in der Lombardei beibehielt, war die von Napoleon ge-

schaffene Gendarmerie, ein Elitekorps, das streng militärisch organisiert war und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit diente, aber auch als Helfer für die Bevölkerung in allen Notlagen verwendet wurde und in Kriegszeiten auch zum Einsatz gebracht wenden konnte.

Nach den Wirren der Revolution von 1848, in der die Donaumonarchie

in allen Fugen gekracht hatte, da äußere Feinde und innere Aufstände ihre Existenz auch weiter gefährdeten, die öffentliche Sicherheit viel zu wünschen übrig ließ, griff die Donaumonarchie auf das von Napoleon in der Lombardei geschaffene Beispiel zurück und machte aus der bisher nur venezianisch-lombardischen Gendarmerie eine gesamtösterreichische. Der eigentliche Schöpfer war der damalige Innenminister Alexander Bach, der Kaiser Franz Joseph im Juni 1849 das Statut der zu schaf-

fenden Gendarmerie vorlegte, das der Kaiser sogleich genehmigte. Diese Schöpfung der österreichischen Gendarmerie entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie: ihr Schöpfer Alexander Bach, der Innenminister, war in den Revolutionstagen des Jahres 1848 mit zwei Pistolen herumfuchtelnd, sein Haupt mit einem Kalabreser-Hut bedeckt (das Zeichen der Revolutionäre) durch die Straßen Wiens geeilt und hatte überall herumgebrüllt, daß er - für nichts garantiere, wenn Metternich nicht zurücktrete. Dieser Mann, der somit die öffentliche Ordnung selbst gestört hatte, schuf eines der besten Instrumente zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit.

Das Leben dieses ehemaligen Revolutionärs verlief wie das Leben

vieler österreichischer Revolutionäre, wie jenes von Lueger oder dem k. u. k. Außenminister Andrässy: sie wurden die ge'treuesten Diener des Staates und beendeten ihr Leben bekleidet mit vielen Würden. Alexander Bach erhielt die Baronie und wurde schließlich k. u. k. Beobachter am Vatikan. Mit Lueger konnte er sagen: „wo immer man ihn aufschneide, sei er schwarzgelb“.

Das neugeschaffene Gendarmeriekorps, das aus 16 Regimentern bestand und nur gediente Soldaten und Unteroffiziere aufnehmen konnte, die außerdem noch eine Probezeit durchmachen mußten (eine Art Noviziat), bis sie endgültig eingestellt- wurden, war streng militärisch organisiert und unterstand nicht dem Innenministerium, sondern den militärischen Behörden, denengegenüber die Gendarmen sogar ausgesprochene Vorrechte besassen. Der erste Kommandant war ein alter Haudegen, Feld-marschall-Leutnan't Kempten von Fichtenstein. Er war aus Pardubitz in Böhmen gebürtig, einem rein tschechischen Ort, so daß man annehmen kann, daß der erste Kommandant der berühmten österreichischen Gendarmerie ein „Böhm“ war, wofür ja auch der deutsche Familienname zeugt, was beim „Böhm“ sehr oft der Fall ist.

Dieses Gendarmeriekorps erwies sich sehr bald als ein erstklassiges Instrument des Staates zur Aufrechterhaltung der Ordnung, aber ebenso-bald waren die Gendarmen bei der Bevölkerung beliebt, denn die Mitglieder dieses Elitekorps erwiesen sich als Helfer des kleinen Mannes in allen Notlagen.

Als in Österreich das absolutistische Regime abgeschafft wurde, wurde die Gendarmerie aus dem militärischen Kommandobereich entlassen und den Zivilbehörden, das heißt: dem Innenministerium unterstellt. Eine \ Ordnung, die bis heute verblieb. Was aber auch bis heute verblieb, ist der gute militärische Geist, den dieses Corps immer besaß. Und der Geist, nicht nur für die öffentliche Sicherheit, sondern auch für den Schutz der Menschen dazusein.

Mitglied dieser Gendarmerie war von 1858 bis 1866 Angelo Sarto, der jüngere Bruder des späteren Papstes Pius X. Er gehörte dem 14. Gendarmerie-Regiment an und diente in den Kriegen von 1859 und 1866, die die Donaumonarchie gegen Italien führte, auf der österreichischen Seite. Das Wiener Kriegsarchiv bewahrt noch seinen Akt auf, der mit minuziöser Genauigkeit die Laufbahn dieses österreichischen Gendarmen, der es bis zum Wachtmeister brachte, aufzeichnet. Er war einer der zahllosen Gendarmen, die still und korrekt ihren nicht immer leichten Dienst versahen. Dieser kleine Bruder des großen Papstes hatte und hat viele Brüder in der österreichischen Gendarmerie.

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