6816104-1973_10_05.jpg
Digital In Arbeit

Alter Hollander, junger Österreicher

19451960198020002020

Österreichs neues Einkommensteuergesetz ließ ein altes, immer wieder diskutiertes Problem ungelöst, nämlich das der steuerlichen Behandlung von Spenden für Zwecke der Kunst. Es bleibt einstweilen dabei: Eine steuerliche Förderung des in Österreich ohnehin äußerst spärlichen Mäzenatentums findet nicht statt.

19451960198020002020

Österreichs neues Einkommensteuergesetz ließ ein altes, immer wieder diskutiertes Problem ungelöst, nämlich das der steuerlichen Behandlung von Spenden für Zwecke der Kunst. Es bleibt einstweilen dabei: Eine steuerliche Förderung des in Österreich ohnehin äußerst spärlichen Mäzenatentums findet nicht statt.

Werbung
Werbung
Werbung

Hingegen kennt Österreichs Steuergesetz, und daraus geht eine gewisse Ungerechtigkeit hervor, durchaus eine Steuerfreiheit für Zwecke der Forschung und Lehre. Dieses Gesetz hatte ursprünglich den Zweck, vor allem zweckbestimmte Forschungsaufgaben leichter finanzieren zu können, wurde aber in der praktischen Handhabung durchaus zu einem Gesetz, das echtes Mäzenatentum fördert, denn es stellt beispielsweise Spenden für Zwecke der Grundlagenforschung steuerfrei.

Was Österreichs Gesetzgeber für die Wissenschaft recht ist, das ist ihm aber für die Kunst noch lange nicht billig, und die eiskalte Logik der Gesetzesanwendung führt überdies noch zu äußerst unterschiedlicher Behandlung der Künste. Denn Kunstwerke, die für Zwecke der Büroausstattung oder andere betriebliche Zwecke, beispielsweise für die Kantinen, angeschafft werden, sind, so sie von lebenden österreichischen Künstlern stammen, von der Einkommensteuer absetzbar, sprich: als Betriebsausgaben zu behandeln. Ein hochherziger Unternehmer ist also in der Lage, einen aufstrebenden österreichischen Maler oder Bildhauer zu fördern, ohne seine private Brieftasche zu strapazieren, indem er in seine Firmenkasse greift und die Ausgabe als Betriebsausgabe verbucht. Jeder Eingeweihte weiß, daß auch solches steuerlich gefördertes Mäzenatentum in Österreich selten genug ist. Aber immerhin, es gibt Ärzte, es gibt Anwälte, die Werke lebender Österreicher in ihre Sprech- und Wartezimmer hängen, um Künstlern, von deren Begabung sie überzeugt sind, den Aufstieg zu erleichtern. Es gibt auch kunstfreundliche Großfirmen (eine für ihre revolutionäre Werbung bekannte österreichische Schuhfabrik zum Beispiel hängt Kunstwerke in die Speiseräume, um einerseits die Künstler und anderseits den Kunstverstand der Mitarbeiter zu fördern).

Hingegen ist die Literatur durch diese Bestimmung einmal mehr benachteiligt. Während so manche Bank oder Sparkasse einem Maler oder Bildhauer einmal hier zehntausend, einmal dort zwanzigtausend Schilling zukommen läßt (die um dieses Geld eingekauften Dinge kann man schließlich als Geschäftsausstattung absetzen), ist eine private Ergänzung der ziemlich armseligen offiziellen österreichischen Kunstförderung nur aus der privaten Brieftasche mit voll einkommenversteuertem Geld möglich.

Auf diese Weise werden Mäze-natentaten, die im Sinne einer österreichischen Kulturpolitik äußerst wünschenswert wären, steuerlich genauso behandelt wie der Ankauf eines Beichtstuhles zwecks Umarbeitung in eine Hausbar oder eines alten Holländers oder der unvermeidlichen gotischen Heiligenfigur. Oder eines Picasso, eines Rudolf von Alt usw.

Auf diese Weise fließen wahrscheinlich nicht allzu selten Gelder, deren Spender durchaus auch zur Finanzierung etwa eines Arbeitsstipendiums für einen jungen Dichter bereit gewesen wäre, der bildenden Kunst zu, der sie natürlich niemand mißgönnt. Dieses Ungleichgewicht illustriert nur die Widersinnigkeit einer Gesetzgebung, für die private Kunstförderung offenbar eine durch und durch suspekte Angelegenheit ist.

Österreich hat zwar, angeblich, kein Geld, um die Bestände der österreichischen Museen auf dem laufenden zu halten, aber ein Privatmann oder eine Firma, die durchaus bereit wäre, etwa den Ankauf eines wertvollen Bildes für ein österreichisches Museum zu finanzieren, wenn ihre großherzige Tat mit dem bekannten kleinen Messingschild kundgemacht wird, müßte für dieses Geld zuvor die Einkommensteuer entrichten und damit ist jede Bereitschaft, Schenkungen an Museen zu machen, im Keim vernichtet. Denn es geht ja nicht nur um die Förderung einzelner Künstler — auch unsere Sammlungen leiden echte Not.

Jeder weiß, daß beispielsweise in den amerikanischen Museen, in denen alles das an europäischer Kunst zu sehen ist, was sich Europa nicht mehr leisten kann, zum Großteil mit Hilfe privater Schenkungen eingekauft wird. Die Schenker können diese Spenden von der Steuer absetzen. Zum Besten der kulturellen Szenerie eines Landes, das man in Europa so gern als „unkultiviert“ herabsetzt.

Österreichs Sammlungen sind darauf angewiesen, daß ihnen dann und wann ein von einem lebenden Österreicher stammendes Kunstwerk, das deshalb einkommensteuerfrei für die Büroausstattung angeschafft werden konnte, nach ordnungsgemäßer Abschreibung großzügig überlassen wird. In diesem Fall verzichtet der österreichische Staat großmütig auf die Schenkungssteuer.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung