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Angst vor dem Njet

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Am 17. Februar sind in Brüssel die Beamtenverliandlungen zwischen der Europäischen Wirtscdiaftsgemein-scäiaft und Österreich beendet worden („Furche", Nr. 9). Manche Kommentatoren sprecäien von gescheiterten Verhandlungen, Experten wollen es aber anders sehen: Außenminister Kirchschläger nimmt an, daß noch in der ersten Jahreshälfte 1972 das Interimsabkommen zwisdien der Gemeinschaft und Österreich unter Dach und Fach gebracht werden kann. Und bis 1974 dürfte es doch zu einer endgültigen Lösung kommen — wenn die Verhandlungen mit den übrigen Beitrittskandidaten, allen voran Großbritannien, ähnlich günstig verlaufen wie die mit Österreich. Ungelöst ist freilich für Wiens Außenamt nach wie vor die Frage, wie die Sowjets zu den österreidii-schen Bemühungen stehen. Denn noch alle Regierungen vor Kreisky holten sich bei den Russen durchwegs kalte Füße. Werden die Sowjets jetzt unter einer sozialistischen Regierung in österreicii ihre Haltung ändern?

Ohne sich in prophetischen Vorhersagungen zu ergehen, kann man die Frage beantworten: Nein. Doch ist dieses ,JIein" nicht so sehr eine „sture Haltung" der UdSSR, als ein vollkommenes Unverständnis für diie westeuropäische Situation. Der „Rat für gegenseitige wirtschaftliche Hilfe" wurde schon 1949 im Ostblock gegründet — quasi als Wirtschaftsgemeinschaft des Ostens. Die Idee zu diesem wirtschaftlichen Zusam-

menschluß geht auf einen Plan Molotows zurück, er ist heute als COMECON bekannt. Im Gegensatz dazu wurden die westeuropäischen Wirtschaftsbündnisse erst relativ spät geschlossen: der römische Vertrag zur Gründung der EWG trat erst 1958 in Kraft, 1960 folgte die EFTA. Trotz der wesentlich längeren Existenz funktioniert das COMECON nicht in dem Maße wie die westeuro-päiscäien Zusammenschlüsse. Im Gegenteü: gerade nach dem polnischen Dezember werden im wirtschaftlichen Bereicii die Schwierigkeiten im Einflußbereich der Sowjetunion immer deutlicher erkennbar. Es ist also nur zu verständlich, daß die Sowjets hinter einer gut funktionierenden Wirtschaftsgemeinschaft „Druck durch die NATO" vermuten. Aber wie groß muß dieser Drude erst sein, wenn man die eigene — sowjetische — Macht im Osten kennt?

So gesehen ist die Haltung Moskaus klar und keinesfalls „böswillig" gegen österreidi gerichtet. Denn die UdSSR weiß nur zu genau, daß wirtschaftliche Bündnisse politiscäie Faktoren sind.

Österreichs Fehler

Anderseits hat es Österreich den Sowjets leicht gemacht, seinen Plänen abweisend gegenüberzustehen: Am 19. März 1965 — also vor seciis Jahren — nahmen die EWG und Österreich die Verhandlungen auf. Österreich startete damit einen Alleingang, um zu einem Abkommen mit der Wirtscäiaftsgemeinschaft zu kommen.

Moskau reagierte auf diesen öster-reicäiischen Scäiritt damals nicht sofort. Man jubelte in Österreich, als ob dieses „Schweigen" nüt einer stillen Zustimmung gleichzusetzen gewesen wäre.

Aber weit gefehlt: die sowjetische Nachrichtenagentur TASS stellte einen Monat später fest, daß die Sowjetimion die EWG als Wirtschaftsbasis der NATO betrachte und sie deshalb mit Österreichs Neutralität unvereinbar sed.

Damit freilich begann jenes Spiel, das von der österreichischen Regierung unter Klatis eher unglücklich beherrscht wurde: Auf der einen Seite versuchte man, den Sowjets die Zustimmung für ein österreicMsches Arrangement mit der EWG abzuringen, auf der anderen wurden mehrere Fehler begangen. Gleichgültig, ob nun die „Prawda" oder die „Is-westija" gegen die österreichischen EWG-Bemühungen Stellung bezog, die österreichische Regierung versuchte sich zu rechtfertigen. Dadurch verhandelte man nicht mehr auf Regierungsebene, sondern wählte die sowjetische Presse als Gesprächspartner. Daß den Sowjets diese „lakaienhafte" Unterwürfigkeit aufgefallen ist, scheint nur zu verständlich. Parallel damit wurde auch die Stimme gegen ein österreidüsches EWG-Abkommen aus Moskau schärfer und direkter.

Wende mit Kirchschläger?

In der österreichischen Haltvmg gegenüber der Sowjetunion bei der Behandlung eines EWG-Arrangements ist seit der Amtsübernahme im Außenministerium sciiednbar eine Wende eingetreten: Kirchschläger weiß, daß er die sowjetisdie Zustimmung in Form eines klaren,, Ja" niciit erhalten kann. Österreich wird deshalb die Sowjets — soweit das möglich ist — in direktem Kontakt über den Verlauf der Verhandlungen mit der Wirtschaftsgemeinschalt informieren und will damit beweisen, daß nicäit hinter dem Rüdcen der Sowjets die Neutralität Österreichs iimgan-gen werden soll. Nach einer Eimgung in Brüssel, die von Österreich akzeptierbar ist, will man Moskau an den Tisch bitten und dort beweisen, daß ein solches Abkommen docii mit dem Neutralitätsstatus vereinbar ist.

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