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Auf den Spuren ältester Musik

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Mit geradezu heroischem Fleiß und unermüdlicher Geduld ist Franz Za- giba mehr als 30 Jahre den Spuren der Musik bis in die Steinzeit gefolgt. So stellt er seiner Arbeit tiefgründig die Worte aus dem 37. Psalm voran: „Ich war ein Jüngling und bin alt geworden.“ Der Autor behandelt die Musikgeschichte von prähistorischer Zeit bis zur Entstehung der Babenberger Mark 976.

Der 1. Teil umfaßt die Ur- und Frühgeschichte bis zum Ausgang der Völkerwanderung; der 2. Teil reicht bis zum Ende des 10. Jahrhunderts. Geographisch umfaßt die Forschung in diesem Buch die ur- und frühgeschichtlichen Musikinstrumenten- funde zwischen Alpen-Donauraum und Karpaten. Für den Leitsatz „Im Anfang war der Rhythmus“ stehen die primitivsten archäologischen Funde, in der mährischen Pekarria-Höhle; Kiefer- und Schenkelknochen von Säugetieren, offenbar von Jägern zur Nachahmung von Tierstimmen verwendet.

Diesen einfachsten Instrumenten der Steinzeit folgen die Pfeifen-, Rassel- und Lärminstrumente der Keramik- und Metallzeit. In Niederösterreich entdeckte man Glocken aus Ton. Das Vorhandensein der Almwirtschaft weist auf Holz- und Metallinstrumente hin (Alphorn, Gong „Freß- glocke“). Grabbeigaben (Knochenflöten, Blashömer) und Keramikzeichnungen (Leierformen) geben weitere Zeugnisse.

Die Ansiedlung der Kelten auf österreichischem Gebiet macht eine hohe Musikkultur deutlich, die sich in kultischem Gesang mit Musikbegleitung äußerte - im Klagenfurter Landesmuseum werden in Form metallener Kultgegenstände ihre Zeugnisse aufbewahrt. Vasenfunde aus der Zeit um Christi Geburt geben mit ihren Abbildungen Kunde von einem reichen Instrumentarium, wie es auch die Aufzeichnungen des heiligen Severin, der in Mautern an der Donau als Glaubensbote) wirkte, berichten. Großen Raum gibt der Autor der Musik zur Zeit der Völkerwanderung, wo Attilas Tod ein aufschlußreicher Bericht ge widmet ist. Heidnisches Brauchtum wurde bei den Slaven und Bajuwaren trotz der Christianisierung beibehalten. Papst Gregor III. mußte gegen die Sitte einschreiten, beim Totenmahl und in der Umgebung von Kirchen „schamlose Lieder“ zu singen.

Nach dem Ende der Völkerwanderung lag das Schwergewicht der abendländischen Entwicklung nicht mehr bei den Römern, sondern bei den Franken. Die katholische Kirche wurde die große Kulturträgerin des Mittelalters. Es entstand die Gregorianik mit ihren neuen Formen des vokalen und instrumentalen Musizierens. Aachen und Salzburg, seit 798 Erzbistum, sind richtungweisend für den kirchenmusikalischen Unterricht in reger Verbindung mit dem Patriarchen Paulinius II. von Aquileia.

Ein großes Kapitel ist der irischen Missionierung gewidmet, ein weiteres behandelt die Probleme der Missionierung durch die Verschiedenheit der Sprache und des Gesanges. Besonders den Germanen und Galliern machte das Singen Schwierigkeiten, weil ihr mächtiger Körperbau und ihre heiseren Kehlen so ein Geschrei hervorbrachten, daß die Zuhörer eher betäubt als gerührt wurden.

Salzburg bewahrte seine Vormachtstellung, wie sie der Autor in den Kapiteln „Die Missa Graeca Praxis“ und „Die Missa Slavica“ behandelt, gegenüber Bayern (Petrus-Lied), Bodensee (St.-Gallus-Lied), Tschechoslowakei (Cantilena dulcis) und Polen (Patrium Carmen). Neben den geistlichen Gesängen kam im Laufe der Zeit auch das weltliche Lied in Mode, besonders in Form von Studenten- und Liebesliedern. Die ungemein reichen Quellenangaben des vorliegenden Buches sind dem Interessenten eine wahre Fundgrube.

MUSIKGESCHICHTE MITTELEUROPAS VON DEN ANFÄNGEN BIS ZUM ENDE DES 10. JAHRHUNDERTS. Von FranzZagiba. Verband der wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs, Wien, 160 Seiten, 24 Bildtafeln, öS 295.-. ‘

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