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Behutsame Politik

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Österreichs Beziehungen zu den Ländern der Levante reichen weit zurück und sind von vielfältigen Motiven in der Vergangenheit getragen gewesen. Zunächst war es der Aufbau konsularischer Vertretungen in den wichtigsten Häfen, wodurch der österreichische Handel mit Hilfe des österreichischen Lloyd im 19. Jahrhundert in der Levante etabliert wurde. Die Konsuln, und später die verschiedenen Gesandten, hatten nicht nur die normalen diplomatischen Beziehungen zu pflegen, sondern waren vor allem auf dem Sektor der Betreuung der christlichen Konfessionen Repräsentanten jenes Österreich, das den Schutz verschiedener Religionsgemeinschaften übernommen hatte. Neben den Hilfsaktionen für die Christen des Ostens war nicht zuletzt aus der besonderen Bindung der Habsburger an Jerusalem das Heilige Land das Ziel vieler Österreicher. Namentlich Kaiser Franz Joseph hat sehr viel für die heiligen Stätten unternommen und die österreichischen Pilgerzüge vertieften das Interesse an orientalischen Fragen und Problemen. Niemals eine Kolonialmacht, hat Österreich — wie wir aus den hervorragend mit Daten und Akten belegten Darstellungen von Botschafter Breycha-Vauthier entnehmen können —, seit eh und je Entwicklungshilfe in der Levante geleistet. Geologen, Kartographen, Ärzte, Techniker — sie alle sind zum Teil noch unvergessen, ebenso wie die behutsame Art, mit der Österreich seine Kultur- und Wirtschaftspolitik betrieb, so daß der Libanon sogar unser Rotweißrot zu seinen nationalen Farben erhob.

Ein Kapitel ist dem berühmten Forscher und Politiker, Prälat Alois Musil gewidmet: „mährischer Priester und großösterreichischer Patriot“ — wie ihn der Verfasser nennt —, der neben vielen Forschungsreisen 1917 in Begleitung des Erzherzogs Hubert Salvator die sogenannte „Orient-Mission“ des k. u. k. Kriegsministeriums führte. Der Zweck dieser Mission waren nicht nur Kontakte mit den österreichischen Kolonien, sondern auch die entsprechende Repräsentation Österreichs auf militärischem, politischem und wirtschaftlichem Gebiet gegenüber dem deutschen Verbündeten, der sich mehr und mehr eine Art Monopol in der Türkei schaffen wollte. Musils wissenschaftliches Wirken ist ebenso unvergessen wie die zahllosen Untersuchungen und Forschungen österreichischer Diplomaten, Professoren und Techniker. Wenn heute in Beirut, Bagdad und anderen Orten Großleistungen unserer österreichischen Industrie in der Gestalt von Brücken, Kränen und Fabriksanlagen stehen, so zeugt dies vom Vertrauen der Staaten, die Österreichs Leistung auch in der Vergangenheit stets anerkannt haben.

Wie ein farbiges Gemälde aus unzähligen kleinen Effekten hat Botschafter Breycha-Vauthier, der heute als Direktor der Diplomatischen Akademie in Wien noch immer in speziellen Aufgaben in seine früheren Wirkungsgebiete entsandt wird, ein wissenschaftliches Werk geschaffen, das an Quellenreichtum, Dokumentation und feinziselierter Form der Darstellung in jeder Hinsicht eine vorbildliche Leistung darstellt.

ÖSTERREICH IN DER LEVANTE. Geschichte und Geschichten einer alten Freundschaft. Von Arthur Breycha-Vauthier. Verlag Herold, Wien-München 1972. 159 Seiten, S 188.—.

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