6847243-1976_27_14.jpg
Digital In Arbeit

Bildbiographie der Le Fort

Werbung
Werbung
Werbung

Insel-Taschenbücher bleiben auch als Taschenbücher Insel-Bücher: Vornehm, auf gutem Papier sorgfältig gedruckt und daher nicht ganz so billig wie andere Paperback-Ausgaben. Schon die äußere Form eines Buches soll den Leser auf das Innere hinweisen. Freilich paßt so eine durchaus nicht prunkvolle, jedoch auf jeder Seite betont seriöse Aufmachung besonders gut zu einer Dichterin wie Gertrud von Le Fort, deren „Leben und Werk in Daten, Bildern und Zeugnissen“ kürzlich als Band 195 dieser Reihe erschienen ist.

Gegenüber der Titelseite weist eine in Schlagworten konzipierte biographische Notiz zuerst die Dichterin und darunter Gisbert Kranz als den 1921 geborenen Herausgeber des Bandes aus: zusammen 23 Zeilen, die den aufmerksameren Leser knapp orientieren. Vor dem eigentlichen Text- und Bildteil wird die Herkunft des verwendeten Materials ausgewiesen, dann auf 25 Seiten der „Zusammenhang von Leben und Werk“ hergestellt. Es folgt mit mehr als 150 Seiten als Hauptteil die Stück für Stück ausführlich kommentierte Folge der „Bilder und Zeugnisse“, genauestens ergänzt durch eine Bibliographie der Werke und eine der Sekundärliteratur, sowie mit einem Namen- und einem Ortsregister. Man ist wirklich „im Bilde“ nach dem Studium dieses aufschlußreichen Bildbandes.

Gisbert Kranz liefert keine übel-zeitübliche Insidestory. Es ist ihm aber gerade dadurch, daß er die Zurückhaltung der Le Fort, was ihre Privatangelegenheiten betrifft, der Öffentlichkeit gegenüber auch post-hum beachtet, gelungen, den Leser auf das hinzulenken, worauf er achtzugeben hätte bei dieser nonkonformistischen Dichterin. Sie hat selber festgestellt, ein Autor habe „sein Eigenstes und Persönlichstes, solange er lebt, sich und dem engsten Freundeskreis vorzubehalten.“ Und als sie sechs Jahre vor ihrem Tode (mit fast 90 Jahren) trotzdem eine Art Selbstbiographie schrieb, beschränkte sie sich auf die beinahe ein halbes Jahrhundert zurückliegende erste Hälfte ihres langen Lebens. Sie hat also die Erfolgsmethode heutiger Schriftsteller nie angewendet, hat nie „ausgepackt“. Im Gegenteil, sie hat eingepackt und den verbreiteten Irrtum dementiert, „daß meine in Ich-Form geschriebenen Erzählungen — also vor allem die beiden Veronika-Bücher — autobiographischen Charakter tragen.“ Eine solche Interpretation stünde „mir selbst und dem Gesamtgeist meiner Dichtung in fast erschrek-kender Weise fern“.

Dagegen war es legitim, daran zu erinnern, daß Gertrud von Le Fort eine Spätentwicklerin war. Wiewohl sie schon sehr früh vereinzelt publizierte, fallen ihre wichtigeren Werke in die zweite Lebenshälfte. Kein Wunder: „Bis zu meinem 15. Jahr wurde ich privatim unterrichtet. Noch mit 20 Jahren nahm mir mein Vater die Romane weg“, berichtet sie ohne den geringsten Groll gegen das autoritäre Herkunftsmilieu. Erst im 32. Lebensjahr beginnt sie Universitätsstudien zu betreiben und hat diese ungewöhnlich lange und langsame Anlaufzeit später nie bereut. Dazu paßt auch: Knapp vor ihrem 50. Geburtstag erst konvertierte sie 1926 zum Katholizismus, aus einer geradezu ökumenischen Idee: „Ich habe die katholische Kirche zwar nicht als Gegensätzliches zur evangelischen Kirche erlebt, wohl aber als deren Heimat.“

Begreiflich, daß sie 1914 keine Kriegsgedichte und 1934 keine NS-Hymnen geschrieben hat.

GERTRUD VON LE FORT — LEBEN UND WERK IN DATEN, BILDERN UND ZEUGNISSEN. Von Gisbert Kranz. Insel-Verlag, Frankfurt, 234 Seiten, öS 69,30.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung