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Biotop oder Fischweiher?

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Größter Vorteil der engeren Dorfgemeinschaft ist eindeutig die Nachbarschaftshilfe. Der konnte ich einen ganz besonderen Aspekt abgewinnen, als letztes Jahr nach einem Wolkenbruch unser Keller unter Wasser stand und alle mithalfen, zu schöpfen, zu pumpen und zu wischen.

Dafür revanchierten wir uns dann während der Abwesenheit der Nachbarin nördlicherseits und hievten aus ihrem Swimmingpool eine Kuh heraus. Das war übrigens Schwerstarbeit, trotz Fangnetz und Traktor des anderen Nachbarn, da das gute Milchvieh im gefüllten Becken in Panik geriet!

So, wie sich unser Haus im Dorf das passende Aussehen zulegen mußte, so geschah es auch mit uns beiden. Ein Dirndlgewand hatte ich immer schon besessen, aber — das war städtische Folklore und nichts Echtes, wie ich heute weiß.

Das echte „Dirndl” besitzt nahezu vier Meter Weite im Rock um die Hüfte, liegt hauteng am Mieder an, das nur mit Knöpfen (Reißverschluß: pfui!) im Ein-Zentimeter-Abstand geschlossen wird, und erfordert auch einiges „Holz vor der Hütt'n” (dem man notfalls etwas nachhilft).

Seit dem Erwerb eines traditionellen handgeschneiderten Dirndls bin ich im Dorf endlich als vollwertiges Mitglied anerkannt.

Inzwischen besitze ich sieben Dirndl und strenge mich an, die Viehdoktorsfrau einzuholen, die in ihrem Schrank 270 (!) Stück aufgereiht hat, ein Ehrgeiz, der meinen Göttergatten schon etwas erschreckt (der übrigens jetzt auch zwei echte Hirschlederne mit passenden Wadistrümpfen sein eigen nennt).

So viel zur äußeren Anpassung. Daß es um uns vollends geschehen war, weiß ich spätestens, seit Reinhard an einem Samstagmorgen auf nüchternen Magen der örtlichen Feuerwehr beitrat. Und das kam so:

Es war so gegen 9 Uhr früh an einem Samstag, als wir durch ein stürmisches Klingeln geweckt wurden. Fluchend sauste ich in den Bademantel und zur Tür und öffnete dem zerknirschten Bauern D.: „Mei, i hob mir scho denkt, daß net so recht paßt, weil die Der Strand ist voll Vorhang' no zu war'n, aber Eich trifft ma ja abends so schlecht an.

Ich bemühte mich, ihm seine Verlegenheit überwinden zu helfen, da tauchte endlich Reinhard in seinem Bademantel auf und rettete die Situation, indem er einen Obstschnaps anbot. Und als guter Gastgeber setzte er sich dazu und kippte auch mit.

Das Ende vom Lied: Nach etlichen gastgeberischen Pflichtschnäpsen unterschrieb Reinhard die Beitrittserklärung zur Ortsfeuerwehr, glücklicherweise nur als passives, also zahlendes Mitglied. Ich buche das unter „innere Anpassung” ans Dorfleben.

Aber daß ich das „local Integration adjustment”, wie die Fachwelt sagen würde, längst vollzogen habe, wurde mir auf der letzten Bürgerversammlung schlagartig bewußt:

Empfand ich doch eine tiefe Empörung über den Auftritt des städtischen Architekten, der den Plan der landschaftsgerechten Turnhalle vorstellte. Erläuterte er doch: „Und dann erweitern wir den Gemeindebach zum Biotop.” Woraufhin sich einer der Ansässigen die Hose rauf zieht, das Mikrofon nimmt und brüllt: „Was brau-chan mir a Biotop!”.

Rat meinerseits für dorffremde Architekten: Es muß heißen: „Und hier planen wir einen Fischweiher.”

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