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Böhmen - Europas Schicksal

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Aus Anlaß der Vorbereitungen zum tausendjährigen Jubiläum des Bistums Prag führt die Ackermann- Gemeinde, die Organisation deutscher katholischer Vertriebener des böhmisch-mährischen Raumes in der Bundesrepublik drei Kongresse durch. Nach einem ersten im Vorjahr in Würzburg, wurde eben in Regensburg die zweite dieser Tagungen zum Thema „Böhmen — Europas Schicksal“ durchgeführt. Ein dritter Kongreß ist für das kommende Jahr für Mainz geplant.

Für Regensburg stand natürlich der heilige Bischof Wolfgang im Vordergrund — deshalb wurde ja die Bischofsstadt Wolfgangs als Tagungsort gewählt. Der Würzburger Universitätsprofessor Dr. Gerd Zimmermann skizzierte den Heiligen als Bischof, der nicht nur den Entschluß, den böhmischen Raum aus seiner Regensburger Diözese zu entlassen, gegen den Rat seines Domkapitels faßte, der damit auch wesentlich anders als die meisten Bischöfe seiner Zeit handelte, die sich auch gegen kleinste Gebietsabtrennungen sträubten und der so seine weitblickende Entscheidung gegen den „Geist der Zeit“ fällte. Eine wesentliche Ergänzung gab der Regensburger Bischof Dr. Gräber in seiner Predigt in St. Emeram angesichts des Reliquienschreines des Heiligen: den in unserer nachkonzi- liaren Zeit so dringend notwendigen Wechsel von Katakombendasein und Zurückgezogenheit mit Welteroberung und Welterneuerung habe schon Wolfgang praktiziert. Zwei deutsche Priester (Abt Kinzl, Braun- au-Rohr, und Provinzial P. Paulus Sladek OSA., Prag, Zwiesel) und der tschechische Abt Opasek (Prag)

feierten die Messe in Konzelebration mit dem Regensburger Bischof.

Das Mönchtum jener Zeit vor tausend Jahren stellten zwei Referate dar, das des Saarbrückner Univer- sitätsprofessors Dr. Prinz und jenes des Landshuter Archivars Dr. Hem- merle, der sich vor allem mit der Mission und den Klöstern der bayrischen Benediktiner in Böhmen befaßte. Prinz unterstrich die Krisenfestigkeit der Orden, die nicht zuletzt deshalb so geworden sei, weil die Orden inmitten einer europäischen Krisen situation entstanden. Er verwies weiter darauf, daß das bisher unmöglich erscheinende Zusammenleben von Gallo-Romanen und Franken in fränkischen Klöstern erstmals praktiziert wurde und daß es auch später keine einseitig deutsche Kulturbringerarbeit, sondern im Rahmen eines gesamteuropäischen Kulturvorganges ein ständiges Geben und Nehmen gegeben habe. Waren es im 7. und 8. Jahrhundert die germanischen Stämme ostwärts des Rheins, die ihre Kultur und Zivilisation von Gallo-Romanen, Iren und Angelsachsen erhalten hatten, die als Mönche und Ordensgründer gekommen waren, so gaben später Bayern, Franken und Sachsen diese geistigen und geistlichen Güter an ihre slawischen Nachbarvölker weiter. Prinz verwies auch darauf, daß das Südtiroler Kloster Innichen und das Stift Kremsmünster in Oberösterreich als erste missionierend mit der slawischen Welt in Berührung gekommen sind, und daß das bayrische Kloster Chiemsee Zentrum der Slawenmission in Kärnten wurde.

In einem Referat über das Bistum Prag in der Zeit Karls IV. und des Ackermann-Dichters zeigte Doktor Mattausch (Königstein im Taunus) auf, wie die hereinströmenden Fremden gewiß den Prozeß der nationalen Differenzierung gefördert haben, gleichzeitig aber durdi die hier entstehende geistige Auseinandersetzung die, Voraussetzung für jene Kultur schufen, die als „karolingische Renaissance“ Weltgeltung erringen sollte.

Nach einem Referat des Schriftstellers Dr. Josef Mühlberger über „Adalbert Stifters geschichtliches Weltbild“ hielt der Wiener Historiker

Univ.-Prof. DDr. Hugo Hantsch OSB. das eindrucksvolle Schlußreferat zum Thema „Die Zeit der Aufklärung in Böhmen“. Hantsch verwies auf das bemerkenswert tiefe Glaubensleben, das in der Zeit des Barock in Böhmen herrschte, zeigte allerdings auch auf, wie die Gedanken der Aufklärung, die gerade in Böhmen sich so bestimmend durchsetzte und so lange wirksam blieb, in breitem Strom von Westen nach Böhmen hereinfluten konnte. Hantsch verdeutlichte aber auch die vielfältigen Unterschiede zwischen Aufklärung und heutigen Reformbestrebungen. Bei einem deutsch-tschechischen Gemein schaftsgottesdienst (Abt Dr. Böhm,

Tepl.-Schönau, Abt Dr. Opasek, Prag, Abt Kinzl, Braunau-Rohr), wies Abt Virgil Kinzl darauf hin, daß es heute bei den vielfältigen Friedensangeboten nötig sei, genau hinzusehen, ob es sich nicht nur um einen Etikettenschwindel handle. Hauptaugenmerk müsse auf die Versöhnung gelegt werden, ohne die es keinen Frieden gibt. Eine Versöhnung sei aber nur dann möglich, wenn es ein Mindestmaß von Wahrheit und Ehrfurcht vor den Menschen gebe. An der von Oberbibliotheksdirektor Dr. Böhm (München) geleiteten Tagung, nehmen mehr als 170 Männer und Frauen, darunter zahlreiche prominente Gäste teil.

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