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1000 Jahre Bistum Prag

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1973 leierte das Prager Bistum sein tausendjähriges Bestehen. Es ist somit für Mitteleuropa ein uraltes Bistum. Wien dagegen ist viel jünger. Es wurde erst in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts ins Leben gerufen und war gebietsmäßig sehr klein — es umfaßte faktisch nur das damalige Stadtgebiet — während das Prager Bistum von Anfang an und noch lange Zeit hindurch nicht nur Böh-

men, sondern auch Mähren umfaßte. 1344 schon wurde Prag zum Erzbistum erhoben, Wien dagegen erst 1722.

Unter normalen Umständen wäre ein tausendjähriger Bistumsbestand Grund genug zu großen Erinnerungsfeiern gewesen. Infolge der politischen Zustände, die heute in Böhmen herrschen, konnten alle Feiern sozusagen nur schlicht und intern ablaufen. Eine große Frucht allerdings brachte dieses Jubiläum mit sich: Deutschböhmische uhd tschechische Autoren setzten sich zusammen und gaben ein Monumentalwerk über die tausendjährige Geschichte des Prager Bistums heraus. Da das Prager Bistum — wie schon erwähnt — nicht nur ganz Böhmen, sondern auch durch relativ lange Zeit Mähren umfaßte, ist dieses Werk eine

moderne Kirchengeschichte der böhmischen Länder.

Und diese Geschichte war reich an Höhepunkten und tiefsten Tälern, die durchschritten werden mußten. Eine Geschichte, die von viel Heldentum und Heiligkeit, aber auch von viel Niedertracht zu berichten weiß.

Im 9. Jahrhundert schon hatten sich die böhmischen Großen für die abendländische Kirche entschieden und damit Böhmen endgültig an diese gekettet. Mit der Gründung des Prager Bistums wurde dieser Schritt nur noch mehr verfestigt. Böhmen trat damit gänzlich in den abendländischen Kulturkreis ein und sollte für immer diesem verhaftet bleiben. Kirche und Christenheit wirken seither in Böhmen bis in unsere Tage in ihren geistigen, rechtlichen und menschlichen Bezügen.

40 Beiträge haben deutsche und tschechische Historiker geliefert, um diese 1000jährige Geschichte darzustellen. Nach den vielen schrecklichen Dingen, die sich seit 1938 zwischen Deutschen und Tschechen abspielten, ist diese Zusammenarbeit allein schon eine erstaunenswerte Tatsache, die zu Hoffnungen, daß auch zwischen diesen beiden Völkern die Gräben abgebaut werden, Anlaß gibt. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit die bisher größte zwischen beiden Völkern auf dem Gebiet der Historiographie. Nach dem neuesten Stand der Forschung ist hier ein Standardwerk entstanden, das alle Bereiche kulturellen Lebens umfaßt: das Christentum in seinen katholischen Formen, aber auch in seinen reformatorischen Neubildungen im Hussitismus und den mährischen Brüdern. Der Leser wird hier gewahr, daß Böhmen lange vor Luther bereits seine Reformation hatte und in der Bruderkirche die vielleicht sanfteste Konfession der Welt schuf. Die katholische Gegenreformation, die so eng mit dem Staat verknüpft war und vielleicht ohne die Hilfe des Staates hätte gar nicht durchgeführt werden können, wird mit ihren

Licht- und Schattenseiten aufgezeigt. Ebenso die Wirkungen des Josephinismus — lies Aufklärung —, der besonders in Böhmen tiefste Wurzeln schlug und das Denken der böhmischen Völker bis heute beeinflußt. Nicht minder werden die Wirkungen des Liberalismus — der Fortsetzung des Josephinismus — erklärt und begreiflich gemacht, warum gerade Böhmen das klassische Land des Liberalismus wurde. Die ewige Crux der böhmischen Geschichte — die nationale und die soziale Frage — finden eine breite Darstellung und strahlen durch alle Artikel durch und geben den Ansatz einer, wenn auch vorsichtigen, Auseinandersetzung mit den Totalismen unserer Tage. Heute

residiert in Böhmen wieder nur ein einziger Bischof, der Administrator von Prag, während alle anderen böhmischen Bistümer verwaisen. So befindet sich Böhmen nach tausend Jahren wieder dort, wo es einst begann. Prachtvolle Bilder ergänzen den Text. Wer immer sich mit böhmischer Geschichte befaßt, wird nicht mehr an diesem Werk vorbeigehen können.

BOHEMIA SACRA. Das Christentum in Böhmen, 973 bis 1973. Herausgegeben von Ferdinand S eibt. Verlag Schwann, Düsseldorf. Leinen, 645 Seiten, 135 Schwarzweißabbildungen, 9 Farbtafeln, 1 Karte.

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