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Brückenschläge und neue Wege

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Die Teilnehmer waren aus 31 Ländern dieser Welt gekommen, aus England ebenso wie aus den USA, aus Australien und - erstmals in dieser großen Zahl - auch aus Staaten des Ostblocks: Insgesamt an die 500 Wissenschafter haben in der vergangenen Woche am X. Kongreß der „Internationalen Organisation für das Studium des Alten Testaments", kurz IOSOT, in der Wiener Universität teilgenommen.

„Die Verkündigung im Gottesdienst, in der Katechese basiert - so-ferne sie seriös sein will - immer auf den Ergebnissen der Wissenschaft; die Kongresse unserer Organisation sind sozusagen Schrittmacher für die Verkündigung und man hat damit zu rechnen, daß in mehreren Jahren wohl auch einiges von dem, was hier in Vorträgen und Referaten, in Diskussionen und in persönlichen Gesprächen -erarbeitet worden ist, dann in die Lehrbücher, in die Predigtkommentare usw. Eingang finden wird" (Univ. Prof. DDr. Pater Georg Braulik OSB, Sekretär des Kongresses, über Sinn und Zweck diesei Veranstaltung).

Eingang finden in den religiösen Alltag sollen nach dem Willen Pater Brau liks unter anderem Fragen nach dei Texttradition in Leviticus, über den Sinn der sogenannten noachistischen Gebote, Fragen, die die Aufführungspraxis von Psalmen im altisraelitischen Gottesdienst betreffen.

Doch das sind nur drei der zahlreichen Themen, die fünf Tage lang bearbeitet worden sind: „Und selbst wenn Detailstudien für die Allgemeinheit von nur geringem Interesse sind, hat der Forscher doch das Recht, sich jenen Fragen zu widmen, die ihn interessieren", wieder Präsident des Kongresses, der Wiener Ordinarius für Altes Testament, Prof. Dr. Walter Kornfeld, betont. Die Spezialisierung, so Kornfeld, greife im Bereich der Wissenschaften immer weiter um sich, das gelte auch „für Forschungen auf dem Gebiete des Alten Testaments".

Oder, wie es der Israeli Weinfeld drastischer ausrückte: „Alttestamentliche Studien befinden sich in der Krise, überkommene Arbeitshypothesen und festgelegte Kriterien werden ernsthaft in Frage gestellt. Nichts scheint mehr sicher zu sein" - also müsse genauer und grundlegender geforscht werden.

Wenn aber trotz der zitierten Spezialisierung - die es auch mit sich brachte, daß der Wiener Kongreß (er stand übrigens unter dem Ehrenschutz des Bundespräsidenten) keine Grundlinie, keinen „roten Faden" verfolgte -, wenn also dieser Kongreß dennoch unmittelbare Auswirkungen für die Öffentlichkeit zeitigen kann, dann dies: „Für die Teilnehmer am Kongreß sind die politischen Grenzen ihrer Staaten keine Grenzen für die Gespräche gewesen -und auch die einzelnen Konfessionen sind im Bemühen vereint gewesen, das Gemeinsame zu suchen und zu finden".

Trotzdem nennt Pater Braulik Beispiele der Auffassungsunterschiede zwischen Katholiken, Evangelischen, Orthodoxen und Juden, wie sie bei der Wiener Veranstaltung aufgetreten sind: Vor allem seien das die Diskussionen um den Kanon gewesen, also um die Verbindlichkeit, mit der einzelne Bücher zur Heiligen Schrift gerechnet werden. Aber: „Auch da zeigen sich schon verschiedene Brückenschläge, sodaß selbst in dieser grundlegenden Frage - nämlich dem Bestand des Alten Testamentes - schon in absehbarer Zukunfteine Einheit erreicht werden wird."

Brückenschläge also zwischen einem Teil der Weltreligionen, Brückenschläge, die vor wenigen Wochen erst in den Gesprächen zwischen Katholiken und Orthodoxen auf Patmos in Griechenland einen ersten Höhepunkt gefunden haben.

Brückenschläge aber auch, die zeigen, daß es den Kirchen ernst ist mit einer Annäherung in einer Zeit, die gekennzeichnet ist durch die „weltweite Bedrohung des Menschen durch Wettrüsten, Terrorismus, Totalitaris-mus und Imperalismus" - und die durch ein „rein innerweltliches Profandenken" nicht verändert werden könnte, wie Prof. Dr. Kornfeld schon zur Eröffnung der Veranstaltung festgestellt hatte. Kornfeld hatte dabei erklärt, daß. Gott nicht als „irreale menschliche Projektion", sondern als „personale heilige Realität" gesehen werden müsse.

Dieses Bemühen gelte es zu fördern und zu unterstützen, zumal auch die oft und oft vertretene Argumentation von der Diskrepanz zwischen Naturwissenschaft und Altem Testament heute ein „Ladenhüter" sei, der „keinen Menschen mehr interessiert".

Das prägnante Fazit des Pater Georg Braulik: „Nach diesem Kongreß bin ich noch optimistischer für die Zukunft".

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