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„Cardillac“ und „Stickstoff“

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Hindemith und Obaldia stellten sich im Ausklang der Spielzeit dem Klagenfurter Publikum, zu dessen Ehre gesagt sei, daß es der Urfas-sung der Oper „Cardillac“ aufgeschlossen begegnete, beeindruckt, wenn auch nicht unbedingt, andere Töne gewohnt, beseligt. Man fand sich in die durchaus dem Melos verbundene Musik, zollte den Rhythmen Respekt und lauschte den Chören, die wie ein tönender Rahmen das anspruchsvolle Werk umgeben, dem der ambitionierte und schlagsichere Opernchef Robert Filzwieser Führer war. Ihm war dieser Abend zu danken, der Paul Hindemith den leichtere Kost goutierenden Hörern vorstellte. Und weil die Oper auch von dem auf E. T. A. Hoffmann gründenden Buch her Dramatisches zu bieten hat — und ein Goldschmied, der den Käufern mordend den Schmuck wieder abnimmt, bringt da Spannung ins Spiel —, geriet's zum besten im gespenstisch

dunklen, schönen Bühnenbild Hannes Raders und der sicheren In-szene durch Victor Politt. Orchester, Chor — dem einstudierenden Herbert Kapfer Dank! — und Solisten fanden sich ganz prächtig zusammen, Ernst Gutsein in der Titelrolle an der Spitze, dem Monica Pick-Hiero-nimi, Angela Veron und der ausgezeichnete Tenor Rainer Miebach, nur diese zu nennen, verdienstvoll zur Seite standen. Es war eine Aufführung, die sich über die Provinz erhob.

Im Studio bekam man drei Einakter von Rene de Obaldia zu sehen, der ja mit seinem Kammerwestern „Wind in den Zweigen des Sassafras“ allgemein Erfolg und Tantiemen erntete. In den drei Stücken, die Kurt Julius Schwarz inszenierte, brachte er Moritätliches, Surrealistisches und wohl auch Engagiertes zur Sprache wie im „Stickstoff“, der sich würgend den Soldaten über Herz und Brust legt, sie der Erinne-

rung ausliefert und kaum noch im Schlaf und in mütterlicher Hut Erlösung finden läßt. Trude Heinzel (Mutter), Herbert Mako (Soldat) und vor allem Elfriede Schüsseleder (Flittchen) brachten's zur Geltung. Seelische Tiefen lotet das für zwei Frauen geschriebene Duo „Der Verstorbene“ aus. Frustration, Reue, stolze Erinnerung und die Suche „nach dem Ungeheuer im eigenen Labyrinth“ führen Madame de Klamm (Linda Fliedl) und die überzeugend gespielte Witwe Julia (Herta Fauland) zusammen, die demnächst „um die gleiche Stunde“, vielleicht auf anderer Basis, ihr Rendezvous wiederholen werden. Mit dem makabreren Spiel „Eduard

und Agrippina“ war der Auftakt gegeben worden: ein höchst phlegmatischer Ehemann, längst „aus dem Verkehr“ gezogen, und eine Nervensäge von Frau, die aus Vorwürfen und Angst besteht, betreiben Lektüre im Doppelbett — er der Philosophie geneigt, sie der Zeitschrift, immer wieder von nachbarlichem Babygeschrei in Rage gebracht und ans kranke Herz fassend, das zuletzt bricht, als ein Einbrecher nach Beute begehrt, angesichts der Toten aber resigniert, vom Dank des Gatten begleitet, der so die Gattin loswurde. Ein witziger, skurriler Dialog macht es Elisabeth Czap und Joachim Unmack leicht, Beifall zu buchen.

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