6961662-1984_49_22.jpg
Digital In Arbeit

Darf das Theater alles ?

19451960198020002020

Oskar Panizzas skandalumwittertes Stück „Das Liebeskonzil" an einer Wiener Kleinbühne wirft -wieder einmal - die Frage nach dem antireligiösen Trend der Spielpläne auf.

19451960198020002020

Oskar Panizzas skandalumwittertes Stück „Das Liebeskonzil" an einer Wiener Kleinbühne wirft -wieder einmal - die Frage nach dem antireligiösen Trend der Spielpläne auf.

Werbung
Werbung
Werbung

Wer in unserem Jahrhundert Diktaturen erlebt hat, weiß auch die Freiheit unvollkommener Demokratien zu schätzen. Sich über vereinzelte Bücherverbote aufzuregen, ist nicht der Mühe wert, solche Verbote führen sich selbst ad absurdum, indem sie vor allem die Publizität des verbotenen Werkes fördern. Doch scheint es — und dies kann leider nicht in Abrede gestellt werden — auch in unseren demokratischen Staaten „unterschwellige Diktaturen" zu geben, die nichts mit der aktuellen parteipolitischen Situation zu tun haben.

So wird zum Beispiel schon seit Jahren das deutschsprachige Theater von Machtgruppen beherrscht, deren Ideologie rein materialistisch ausgerichtet ist. Die Spielpläne fast aller deutschsprachigen Bühnen zeigen diese Tendenzen, Programmhefte werden oft zu einschlägigen Pamphleten.

Nichts ist einzuwenden gegen Sozialkritik, die wir dringend notwendig haben, aber alles gegen einseitige Verunglimpfungen, Verspottungen von Werthaltungen, die diesem materialistischen Trend zuwiderlaufen. Wie in der NS-Zeit werden — wenn auch getarnt oder versteckt — Religion, Glaube, Christentum als Sündenböcke historischer Entwicklungen dargestellt. Selbstverständlich soll berechtigte Kritik geübt werden — auch auf der Bühne —, aber die einseitige Vorherrschaft bestimmter Ideologien und die Unterdrückung anderer Positionen ist als undemokratisch abzulehnen.

Zum Teil beherrscht viele Bühnenleiter die Furcht vor einer Minderheit, die ungenannt, aber mächtig das deutschsprachige Theaterleben dominiert, andererseits wird befürchtet, nicht up to date, nicht modern zu sein, als Reaktionär verschrien zu werden, wenn man nicht dem von unbekannt vorgeschriebenen Trend folgt.

Auf die Frage, weshalb gerade er einen radikalen Materialisten als Dramaturgen engagiert habe, gab ein deutscher Intendant vor einigen Jahren zur Antwort, daß man ohne Ideologen heutzutage kein deutsches Theater führen könne.

Häufig wird eingewendet, niemand verbiete gläubigen Mensehen, christliches Theater zu machen. Tatsächlich ist es sehr oft fehlende Zivilcourage, weit mehr aber noch das Unverständnis jener, die ein solches Unternehmen unterstützen müßten, was das Zustandekommen christlicher Initiativen verhindert. In einer Demokratie kann — Gott sei Dank — jeder spielen, was ihm gefällt. Wer nichts bietet oder zu bieten hat, ist selbst schuld. Aber, und das ist eine weitere Frage, kann man verlangen, daß ein Christ antichristliches Theater mit seinem Steuergeld mitfinanziert? . Niemand kann verpflichtet sein, für etwas zu zahlen, daß er aus Gewissensgründen ablehnen muß. Theaterstücke, in denen oft nur zum Spaß — um die oberflächlichen Lacher zu gewinnen — religiöse Werte angegriffen oder lächerlich gemacht werden, sind für Christen ein Ärgernis, auf das sie reagieren müssen.

Nicht mit fruchtlosen Demonstrationen, die nur das Gegenteil bewirken, sondern mit dem Mut des Bekennens und der Bereitschaft, auch im Gegner den Bruder zu achten, mit dem er jederzeit zu sprechen bereit ist. Die seinerzeitige Forderung nach Bestrafung wegen Gotteslästerung ist wohl eher unchristlich, jedenfalls aber sinnlos. Oskar Panizzas zeitgebundene antichristliche- Groteske „Das Liebeskonzil" hätte nämlich gewiß nicht überlebt, wäre es nicht durch die Verurteilung seines Dichters über Nacht weltberühmt geworden.

In einer Welt des wachsenden Lebensmaterialismus, der Sattheit und des Diesseitsüberdrusses scheinen Religion und die Achtung vor religiösen Uberzeugungen notwendiger denn je, sie sind ein Refugium vor drohender Kollektivierung, eine letzte Instanz der Freiheit.

Von Kurt Tucholsky stammt der berühmte Satz: „Was darf die Satire? Alles." Gewiß, aber wenn vor nichts anderem, muß der Spott vor der Liebe kapitulieren. Denn wer ertrüge es, seine Mutter, seine Frau öffentlich verspottet zu sehen? Und Christen sollten es ertragen, wenn Gott, wenn Jesus lächerlich gemacht wird? Und dabei das Lachen gedankenloser Zuschauer anhören müssen?

Das Dichterwort, die Freiheit der einen werde die Unfreiheit der anderen sein, soll sich nicht bewahrheiten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung