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Das Ende vom Ende?

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Auf halbem Weg zwischen Senj und dem Vratnik-Paß im kroatischen Küstenland ladet seit 1857 ein Brunnen zur Rast; und er tat und tut das in deutscher wie in kroatischer Sprache und überdies noch, die Nationalitäten übergreifend, in der lateinischen. Heute werden im südlichen Österreich, wo einige zehntausend Slowenen leben, von aufgeputschten Row-dies jene Tafeln demontiert, auf denen unsere Mitbürger slawischer Herkunft den Namen ihres Heimatortes auch in ihrer Muttersprache lesen können.

Und diese in jeder Hinsicht gesetzwidrigen Akte geschehen, obwohl der Staatsvertrag unseren Slowenen (und Kroaten) mit allen anderen Rechten auch dieses garantiert, das im italieni-sch'»n Südtirol oder etwa auch im jugoslawischen Istrien längst eine Selbstverständlichkeit ist: „die Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur“ in der Sprache der Minderheit wie in der der Mehrheit.

Aber wer ein echter Österreicher ist, der braucht ja für seine Bewertung unserer Minderheiten nicht erst den Staatsvertrag, sondern nur sein Staatsbewußtsein und sein staatsbürgerliches Gewissen. Und der mußte beschämt sein darüber, daß — ob mit oder ohne Staatsvertrag — der Schutz oder gar, wie sich's gehörte, die Pflege unserer ethnischen Minderheiten jahrzehntelang amtliches Lippenbekenntnis blieb. Die Regierung Kreisky mag unklug taktiert, sie mag in vermeintlichem Zeitdruck gehandelt haben, aber sie hat die längst fällige Tat gesetzt. Und zwar eine im besten Wortsinn österreichische Tat.

Und angesichts des Terrors, den stupide Schildbürger gegen loyale und noch dazu wirtschaftlich meist schwächere Mitbürger in Südkärnten anwenden, erübrigt sich jede Debatte über Fragen der Taktik in Gesetzgebung und Vollziehung. Was von der Bundesregierung jetzt noch gefordert werden darf und, allerdings, auch gefordert werden muß, das ist der — natürlich wohldosierte — Einsatz staatlicher Gewalt gegen jene Außenseiter unserer demokratischen Gesellschaft, die jetzt in Südkärnten ganze Register strafbarer Tatbestände erfüllen.

Denn so wenig Österreich als Staat, so wenig soll Österreich als Idee zugrunde gehen: als die Idee der Nation, die nicht auf die sogenannten „Bande des Blutes“ sich gründet, sondern auf ein gemeinsames Schicksal, auf die gemeinsame Meisterung dieses Schicksals und auf das gemeinsame Resultat dieser Meisterung, nämlich auf eine gemeinsame Kultur. Und diese ist zwar durchaus eine Sache der gemeinsamen Sprache, deswegen aber noch lange nicht, wie die primitiven Volkstümler wähnen, eine Sache des gemeinsamen Vokabulars, was vom alten Rom bis zum alten Österreich hinlänglich bewiesen worden ist. Ich begrüße unsere slowenischen Mitbürger als die Garanten dessen, was Österreich zur Nation macht: der Supranationalität.

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