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Demnächst zum Abbruch bestimmt…
Tag für Tag sind wir Zeugen einer Entwicklung, welche unsere Landschaften, historischen Stätten und Baudenkmäler zu zerstören droht, bis sie eines Tages nur noch der Erinnerung angehören werden. Und die öffenlichkeit scheint die gewaltsame industrielle und städtische Entwicklung zu billigen. Die Bevölkerungsexplosion löst ein unberechenbares Wachstum der Städte und Dörfer aus, die Industrie wälzt sich bis in die letzten Winkel der Naturlandschaften und das Straßennetz weitet sich erbarmungslos und unaufhaltsam überall aus. Man hat diese Gefahr wahrscheinlich noch nicht erkannt, denn es wurde bis jetzt nur sehr wenig unternommen, um diesen Prozeß aufzuhalten. Mehr Genügsamkeit, Bescheidenheit und Besinnung auf kulturelle und seelischgeistige Werte kann hier allein Abhilfe schaffen.
Unter den überlieferten Kulturwerten sind vor allem sämtliche Baudenkmäler die am meisten gefährdeten Objekte; und von diesen wiederum jene aus dem am wenigsten haltbaren Material, nämlich aus Holz.
Bisher meist verachtet und schamhaft verschwiegen, fanden sie weder Eingang in die österreichische Kunstgeschichte, noch wurden sie in den Verzeichnissen der Kunstdenkmäler unseres Landes erwähnt, obwohl sie zweifelsohne echtere Zeugen heimischen Schaffens sind, als die oft von fremden Architekten errichteten steinernen Prunkbauten. Heute tritt die Bedeutung der traditionellen Holzarchitektur in der Entwicklung der gesamten Baukunst immer deutlicher zutage. Ihre durch Jahrhunderte erprobten und gefestigten Formen, meisterhaft in ihrer Einfachheit und Zweckmäßigkeit, sind so überzeugend wie die ländliche Tracht, der alte Brauch oder das Volkslied. Und wie man längst schon zur Pflege des alten Brauchtums, der Tracht und des Volksliedes zurückgefunden hat, entdeckt man nun endlich — doch immer noch zu zaghaft —, die Herrlichkeit dieser alten Holzarchitektur, erkennt sie als echte Zeugen bodenständiger Baukunst.
Vieles ist bereits unwiderbringlich und für immer verloren gegangen; vor allem durch verheerende Brände, die ganze Ortschaften mit hervorragender alpenländischer Holzarchitektur in Schutt und Asche legten — wie beispielsweise Grins in Tirol 1945, Serfaus in Tirol 1943, Telfs und zahllose andere Orte zu Ende des
19. Jahrhunderts. Jahr für Jahr fallen weiterhin unzählige hölzerne
Bauernhöfe und andere Blockbauten dem Unverstand und der Modemi- sierungssucht zum Opfer. Unter anderem im Tuxertal, in Ischgl im Paz- nauntal, in Steinapiesting in Niederösterreich, in Wagrein, in Mühlbach am Hochkönig, in der Krakauebene in der Steiermark usw. Die noch vor wenigen Jahren vorhandene schöne, alte, gedeckte Holzbrücke von Häsel- gehr im Lechtal ist bereits nieder- gerissen worden, die alten Speicher in Blockbauweise von Piregg, Steiermark, Goldegg, Salzburg, und Langenwang in der Steiermark sind ebenfalls nicht mehr vorhanden. Einige barbarisch verunstaltete Speicher kann man in der Buckligen Welt und in Oberkärnten feststellen: in die Blockwände dieser Bauten hat man breite Tore und auch Fenster hineingeschnitten, um sie zur Garagierung von Traktoren und Autos verwenden zu können. Neuerdings beginnt sogar der Handel mit alten Holzbauten attraktiv zu werden, ähnlich dem mit alten Bauernmöbeln und Heiligenfiguren.
Auf der Verlustliste der letzten Jahre finden wir noch folgende Objekte: die prächtige in Blockbauweise errichtete Stallscheune von Lassing in Niederösterreich, die Holzkapelle von Häusling im Dunkelsteiner Wald, fast sämtliche Bauemmühlen im Villgratental, im Mölltal und auch im Lesachtal, welche diesen Tälern ihr eigenartiges Gepräge gaben; darunter befinden sich auch die seltenen Stockmühlen mit vertikal- achsigen Wasserrädern, auch Fludermühlen genannt. Weiters mehrere Schilfscheunen des Seewinkels sowie ganze Reihen von Tschardaken im Burgenland; alte Holzzäune, von welchen wir fast 15 verschiedene Arten besitzen.
Vom Abbruch bedroht sind derzeit die aus dem 17. Jahrhundert stammende, gedeckte Holzbrücke über dem Rosannabach in Strengen, Tirol, der schöne Stadlbau von Kochholz bei Melk, der Tenlstall von Hellbrunn bei Salzburg mit seiner phantastischen Dachstuhlkonstruktion, und die letzten Holzriesen: in Eng am Schneeberg und bei Neunkirchen in Oberösterreich, die Holzfangrechen an der Salza und der Schwarza und dazu eine ganze Reihe von hölzernen Bauernhöfen samt ihren Wirtschafts- und Nebengebäuden in fast allen Bundesländern. Völlig zu verschwinden drohen auch die vielfältigen, einst sehr verbreiteten Taubenschläge, die der Mechanisierung der Bauernbetriebe zum Opfer fallen.
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