6884644-1979_22_10.jpg
Digital In Arbeit

Die Botschaft gilt für alle

Werbung
Werbung
Werbung

Brausen vom Himmel her, Erscheinen von feurigen Zungen, Reden in fremden Sprachen und dann ein Volksauflauf mit anschließender Bekehrung von über 3000 Personen -dies ist es, was auf den ersten Blick hin nach Apg 2,1-13 50 Tage nach der Kreuzigung Jesu in Jerusalem geschah. Darüber gibt es allerdings innerhalb und außerhalb der Bibel sorist keine Nachricht. Außerdem gibt dieser einzige „Bericht“ heute zu vielen Fragen Anlaß, nicht wegen mangelnder Glaubensbereitschaft, sondern deshalb, weil wir auch andere Angaben der Antike kritisch lesen.

Der Text selbst gliedert sich deutlich in zwei Abschnitte, von denen der erste (1-4) ein außergewöhnliches Geschehen und der zweite (5-13) dessen Auswirkung auf Menschen in Jerusalem schildert. Dabei fällt der jeweils verschiedenartige, für uns ungewöhnliche Stil auf. Kein Berichterstatter würde heute mit „und als sich der Pfingsttag erfüllte“ beginnen. Gemeint ist ja nicht der Abend des Tages, sondern der Umstand, daß das Erzählte die Erfüllung von Verheißungen ist. Es fehlt auch jede präzise Angabe über den Ort (Abendmahlssaal? Tempelhof?), die Anzahl der Beteiligten (nur die Zwölf?) und den äußeren Hergang. Stattdessen finden sich für die benützten Ausdrucksweisen Belege in jüdischen, am Pfingsttag vorgelesenen Schilderungen der Gottesoffenbarung (Theo-phanie) am Sinai: „Zungen“ (gemeint sind nicht Sprechorgane, sondern Sprachen) „wie von Feuer“, „Brausen wie von einem Sturmwind“ und „Reden in fremden Sprachen“.

Deshalb legt sich für den ersten Abschnitt die Erklärung nahe: Die ersten Christen haben die mutige Predigt der Apostel am ersten Pfingsttag in Jerusalem auf diese Weise als die durch den Geist Gottes bewirkte und für alle Menschen verbindliche Verkündigung der Auferstehung des Gekreuzigten veranschaulicht. Der kirchlichen Osterbotschaft kommt also als geistgewirktem Wort Gottes dieselbe Autorität zu wie dem Dekalog.

Der Evangelist Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte, hat diese alte Deutung des Pfingstgeschehens vorgefunden, mit anderen ihm bekannten Uberlieferungen verbunden und seiner Darstellungsweise entsprechend niedergeschrieben. Der zweite Abschnitt (5-13) ist ganz in seinem Stil abgefaßt. Es fällt auf, daß Lukas auf die äußeren Phänomene (Brausen, feurige Zungen) gar nicht mehr eingeht und in der Pfingstpre-digt (2,17-36) das Reden in fremden Sprachen unerwähnt läßt. Dieses Motiv greift er hier zwar noch auf; doch nennt er sonderbarerweise keine einzige Fremdsprache (die „Galiläer“ sprachen aramäisch wie die Bewohner von „Judäa“; die Völkerliste enthält Gruppen, die zum Teil dieselbe Sprache redeten oder damals als solche nicht mehr existierten, wie die Meder).

Dabei hat der Evangelist erfaßt, worum es in der bildhaft gestalteten Erzählung geht: Die außergewöhnliche Botschaft der „Galiläer“ (der Anhänger Jesu) richtet sich an alle Menschen; sie ist Verkündigung der „Großtaten Gottes“, deren Höhepunkt die Auferweckung des Gekreuzigten bildet (Apg 2, 36). Diese geistgewirkte Predigt ruft bei den einen die spöttische Erklärung („voll süßen Weines“) hervor, bei anderen weckt sie die Frage: „Was soll das bedeuten?“

Der „Pfingstbericht“ deutet also in einer erzählenden Sprache, die die Christen des ersten Jahrhunderts sehr gut verstanden, was Pfingsten durch Gottes Geist geschah. Er stellt damals wie heute jeden vor die Wahl, sich der biblischen, von Gottes Geist inspirierten Botschaften entweder mit einer fertigen (unter Umständen spöttelnden) Erklärung zu entziehen oder weiter zu fragen, was dies heißt, das seit Pfingsten in unserer Welt als „Wort Gottes“ verkündet wird: der gekreuzigte Jesus von Nazareth ist der „Messias und Herr“ (Apg 2,36).

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung