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Die geistige Macht gemeinsamen Betens

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Vom 15. bis 21. Mai fanden sich die Kirchen zu einer „Europäischen Konvokation“ in Basel ein. Welche bleibenden Impulse werden Frucht d ieses gemeinsamen Treffens sein ?

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Vom 15. bis 21. Mai fanden sich die Kirchen zu einer „Europäischen Konvokation“ in Basel ein. Welche bleibenden Impulse werden Frucht d ieses gemeinsamen Treffens sein ?

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FURCHE: Gibt es einen besonderen Grund für die Wahl von Basel als Ort dieses ökumenischen Treffens?

BISCHOFFLORIAN KUNTNER: Basel knüpft an eine Tradition an. 1431 begann dort ein Konzil, bei dem es um die großen Reformen in der Kirche ging. An diese Tradition wollte man anknüpfen, als man alle Kirchen zusammenrief, damit sie sich in Einheit den drängenden Fragen unserer Zeit stellen.

FURCHE: Gab es Parallelen zwischen den Themen, die 1431 und heute behandelt worden sind?

KUNTNER: Damals ging es primär um innerkirchliche Reformen. Die Fragen, die uns heute beschäftigen, waren im 15. Jahrhundert noch nicht aktuell.

FURCHE: Was ist der Kern des sen, was von dem Treffen in Basel bleiben wird?

KUNTNER: Ich würde zunächst die Dimension des Treffens erwähnen: 5.000 bis 6.000 Menschen kamen in dieser Woche aus Anlaß des Treffens nach Basel, darunter 700 Delegierte der europäischen Bischofskonferenzen und der Konferenz europäischer Kirchen sowie 500 bis 600 Journalisten. Bleibend werden wohl drei Dinge sein: die wirklich ausgezeichneten Referate von Vertretern aller christlichen Kirchen, das Schlußdokument, das nach langem Ringen von allen Kirchen angenommen worden ist, und vor allem die Begegnung so vieler im gemeinsamen Gebet. Wir haben in allen Sprachen Liturgie gefeiert. Bleibend wird das theologische, religiöse, das gläubige Gespräch aller Konfessionen in den vielen Arbeitskreisen sein.

FURCHE: Gab es in den Vorträgen einen relevanten Grundkonsens? Und wo zeichneten sich besondere Akzente ab?

KUNTNER: Alle Vorträge hatten die drei Grundanliegen: Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Jeder hat aus seiner Warte zu diesen Themen Stellung genommen. Verschiedene Akzentuierungen haben den Blick für die Problematik geschärft, aber das Grundanliegen blieb erhalten.

FURCHE: Bestand nicht die Gefahr, daß bei so großer Vielfalt der Beteiligten die Einigung auf ein Dokument zu einer Verwischung sämtlicher Konturen führt?

KUNTNER: Genau das ist das Leid, das ich aus Basel nach Hause getragen habe. Ich -genaugenommen die ganze österreichische Gruppe - hätte viel schärfer formuliert. Wir wollten in Basel eine dezidierte Absage an jegliche Form von Krieg erreichen. Das ist uns in dieser klaren Form nicht gelungen.

FURCHE: Worauf hat man sich in dieser Frage geeinigt?

KUNTNER: Man hat die vage Formulierung gebraucht, daß der Krieg als Mittel zur Konfliktlösung imbedingt vermieden werden müsse, hat aber nicht gesagt, daß Christen heute jede Form von Krieg abzulehnen hätten.

FURCHE: Was spricht eigentlich gegen eine solche klare Formulierung?

KUNTNER: Meiner Meinung nach findet man noch immer in vielen Köpfen und Herzen so etwas wie die Lehre von einem gerechten Verteidigungskrieg.

Das zweite Anliegen, das wir viel klarer formuliert hätten, war eine Absage an die Kernenergie. Als christliche Kirchen hätten wir uns das leisten können. Politiker oder Verantwort- liche in der Wirtschaft stehen da unter bestimmten Zwängen. Eine klare Forderung der Christen wäre mir sehr wichtig erschienen.

Deutlicher hätten wir auch noch gerne herausgestellt, daß wir nicht von einer Umwelt, sondern von einer Mitwelt sprechen sollten, daß der Mensch Teirdieser Schöpfung ist. So aber ist das Papier doch letztlich ein Kompromißpapier geworden.

FURCHE: Wo liegt dann aber die Stärke dieses Schlußdokuments?

KUNTNER: Sie ist darinzu sehen, daß hier doch alle Kirchen Europas offiziell Dinge beim Namengenannt undmit einer qualifizierten Mehrheit (weit über 90

Prozent) Stellung bezogen haben. Das berechtigt zur Hoffnung, daß diese Anliegen jetzt auch in den einzelnen Kirchen rezipiert werden. Denn das muß erst geschehen. In Österreich muß etwa erst die Bischofskonferenz dieses Dokument annehmen. Dann hoffe ich, daß ein starker Prozeß der Bewußtseinsbildung eingeleitet wird. Die Menschen müssen von den Anliegen Friede» Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung betroffen sein.

FURCHE: Identifizieren sich Christen nicht ohnedies mit diesen Anliegen? ‘

KUNTNER: Ich merke bei meinen Vorträgen immer wieder, daß in weiten Bereichen diesbezüglich ein ganz geringes Problembewußtsein vorhanden ist. Man hat die vage Vorstellung, daß in Sachen Frieden und Gerechtigkeit nicht alles stimmt. Sobald ich aber mit Zahlen aufwarte, um zu zeigen, wie gefährdet wir heute sind, beginnen viele erst zu denken.

Daher scheint mir ein Bewußtseinsbildungsprozeß heute so notwendig. DasBaseler Dokument darf daher kein Endpunkt, sondern muß Basis für einen Prozeß sein.

FURCHE: Und nun zu dem dritten Punkt, der Begegnung im Glauben: Was war daran bemerkenswert?

KUNTNER: Ich habe gespürt,daß die Kirchen miteinander eine ungeheure geistige Macht darstellen. Besonders im Gebet ist mir dies ganz bewußt geworden. Gerade da habe ich gespürt, daß hier Leute zusammengekommen waren, die an die Macht des Gebetes glauben.

FURCHE: Ist das nicht die eigentliche Frucht einer solchen Begegnung?

KUNTNER: Ja. Es war beachtlich, wieviel Zeit wir uns für das Gebet genommen haben: am Morgen, zu Mittag und am Abend. Und mit welcher Intensität gebetet worden ist! Die Sachfragen haben zwar sehr gedrängt und die Versuchung war groß, sich vor allem auf sie zu konzentrieren. Aber wir sind dieser Versuchung nicht erlegen. Vor jeder Arbeitsitzung haben wir versucht, auf das zu hören, was uns Gott sagen will Und wir sind daher auch von der Heiligen Schrift ausgegangen. Das war für mich der eigentliche geistige Vorgang.

FURCHE: War das Gespräch dann auch spürbar von dieser Haltung geprägt?

KUNTNER: Es ist nicht immer gelungen. Aber vielfach hat uns dieses gemeinsame Hören zusammengeführt. Wir durften einfach nicht den Weg der sogenannten „Bla-Bla-Konferenzen“ gehen. Wir Christen haben in erster Linie den Auftrag, unseren Weg als gläubige Menschen zu gehen.

FURCHE: Wird das auch die weitere Umsetzung in Österreich prägen?

KUNTNER: Ich glaube, wir sollten das Lied, das wir in Basel miteinander gesungen haben, weiterhin sehr ernst nehmen: „Laßt uns hören, was Gott uns sagt….“

Mitdem Wiener Weihbischof FlorianKuntn er, der auch Vorsitzender der Kommission „Justitia et Fax ist, sprach Christof Gaspari.

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