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Die Kultur als Industrie

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Das Bundesland Niederösterreich ist vom verlangsamten Wirtschaftswachstum seit Mitte der siebziger Jahre besonders getroffen worden. Lag das niederösterreichische Wirtschaftswachstum in den Hochkonjunkturjahren sogar einige Jahre über dem österreichischen Durchschnitt, so fiel es im letzten Dezennium wieder deutlich zurück. Als Gründe hiefür sind sowohl überregionale als auch innerregionale Umstände anzuführen: Niederösterreich ist einerseits Teil des ostösterreichischen Wirtschaftsraumes, der gegenüber dem Westen Österreichs sukzessiv an wirtschaftlichem Gewicht verliert; andererseits umfaßt Niederösterreich besondere Problemregionen, nämlich sowohl alte Industriegebiete als auch entwicklungsschwache Agrargebiete in peripherer Lage. Diese Gebiete erwiesen sich in den Rezessionsjähren als besonders krisenanfällig.

Ist es unter den skizzierten Rahmenbedingungen wirtschafts-und regionalpolitisch verantwortbar, die knapper werdenden Mittel der öffentlichen Hand für ein neues Kulturfestival zur Verfügung zu stellen?

Diese Frage ist mit einem klaren Ja zu beantworten. Immer mehr Zeichen sprechen dafür, daß der Kultursektor zur wirtschaftspolitisch interessanten Wachstumsbranche wird; es gibt jedoch dazu noch wenig fundierte ökonomische Untersuchungen für Österreich, weil die Auseinandersetzung mit der Kultur unter betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Aspekten noch sehr jung ist. Der Schweizer Nationalökonom Werner Pommer-hene datiert den Beginn der modernen Kunstökonomik mit Mitte der sechziger Jahre. Internationale Konferenzen der Association for Cultural Economics in den letzten zehn Jahren belegen den Stellenwert dieses neuen Forschungsbereiches zumindest in den USA. In der Zwischenzeit ist aber auch in Europa klar geworden, daß der Kulturbereich in mehrfacher Hinsicht starke wirtschaftliche Bezüge aufweist.

Die Realisierung von Kulturprojekten bedarf immer stärkeren betriebswirtschaftlichen Know-hows und wirtschaftlicher Unternehmensformen. Nicht nur für große internationale Festivals gilt, daß Kulturprojekte hinsichtlich einzelner Unternehmensfunktionen wie Marketing oder Logistik industrielle Formen annehmen. Wenn der Kulturschaffende nicht selbst als Unternehmer fungiert, so bedient er sich zumindest Unternehmen, wie Agenturen, Galerien, Verlage, Medien, um seinem Produkt zu Geltung und Erfolg zu verhelfen.

Zwischen Kulturprojekten untereinander und zu anderen Wirtschaftsbereichen bestehen somit ausgeprägte Liefer- und Bezugsverflechtungen. Aufgrund der vielfältigen Verflechtungen kultureller Aktivitäten mit anderen Wirtschaftsbereichen dürften die Gesamteffekte beträchtlich sein. Zudem tritt noch eine Umwegrentabilität über den Kulturkonsumenten auf, der wiederum von anderen Wirtschaftsbereichen Leistungen bezieht - hier profitieren vor allem die Gastronomie und die Beherbergung. Lassen sich diese Effekte für Niederösterreich im Rahmen des Donaufestivals nutzen?

Das Donaufestival ist ein Kulturprojekt besonderer Art: Fünf Wochen lang werden über das ganze Land verteilt die unterschiedlichsten Einzelprojekte realisiert. Dementsprechend schwierig ist es, von vornherein die regionalwirtschaftlichen Effekte relativ genau abzuschätzen. Aber auch ohne eine solche Abschätzung sprechen einige Grundprinzipien bei der Projektrealisierung für maßgebliche regionalpolitische Impulse für das Bundesland.

Erstens ist durch die dezentrale Verteilung der Veranstaltungen gewährleistet, daß die entstehenden Effekte allen Landesteüen zugute kommen. Damit unterscheidet sich das Donaufestival ganz wesentlich von üblichen Kulturfestivals. Durch diese Konzeption besteht zudem die Chance, eine Vielzahl weiterer, nicht eigens für das Donaufestival in Angriff genommener Kulturprojekte im Land mit einzube-ziehen und diese unter dem gemeinsamen Markenbegriff zu vermarkten.

Zweitens besteht die Chance, den mit der Landeshauptstadt eingeleiteten Prozeß der eigenständigen niederösterreichischen Landesentwicklung auch für den Bereich des Kulturgeschehens fortzusetzen. Mit der nun vorgegebenen Grundstruktur des Donaufestivals besteht die Möglichkeit, von Jahr zu Jahr mehr regionaler Partizipation Raum zu geben. Es ist klar, daß in der kurzen Vorbereitungszeit diese regionalen Partizipationsprozesse erst ansatzweise in Gang gekommen sind. Die Voraussetzungen für eine Weiterentwicklung in dieser Richtung sind jedenfalls gegeben.

Drittens bestehen durch das Donaufestival besondere fremdenverkehrswirtschaftliche Chancen. Die sommerliche Kulturangebotserweiterung in Niederösterreich schafft die Möglichkeit, eigene Kultur-Urlaubsangebote in Niederösterreich anzubieten. Zudem besteht für die Einwohner und Besucher der Bundeshauptstadt ein zusätzliches attraktives Kulturangebot im Umland Wiens, zu einer Zeit, in der das Wiener Kulturangebot deutlich reduziert ist.

Der Autor ist Geschäftsführer der NO Landesgesellschaft ECO PLUS.

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