7031990-1989_34_08.jpg
Digital In Arbeit

Die Kunst als Prophetie

Werbung
Werbung
Werbung

Weniger als Krone der Schöpfung, sondern der Mensch als geschundener, geschlagener, geplagter, von Nachtmahren Umgetriebener ist das Thema einiger Ausstellungen in Salzburg, die zur Festspielzeit von sich reden machen und sich sehen lassen können:

In der Rembrandt-Ausstellung „Der Maler als Radierer“ sind biblische Themen aufgegriffen wie Jesus vor dem Tribunal, der barmherzige Samariter, der Verlorene Sohn, natürlich auch die Themen rund um Weihnacht, aber auch der Mensch in seiner Erbärmlichkeit im Alltag, als Bettler, als Rattengiftverkäufer, als Liebender, in großartigen Blättern aus dem Besitz der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, die den Künstler des Hell-Dunkel-Kontrasts in seinen eigenen Krisen als Mitleidenden zeigen. Porträts, Studien von Verwandten und bedeutenden Persönlichkeiten und Landschaften vervollständigen diese Schau des Kulturamtes der Stadt Salzburg im Schloß Hellbrunn.

War Rembrandt dem Zeitgeschmack entsprechend weniger darauf aus, das Rumoren einer sich anbahnenden zeitgeschichtlichen Eruptionfestzuhalten, so finden sich bei Emst Barlach zu Beginn dieses Jahrhunderts, also in seinen Frühwerken, dramatische Akzente, die — retrospektiv gesehen - den Ersten und den Zweiten Weltkrieg vorwegnehmen: Schauerlich der „Kindertod“, eine Kohlezeichnung, die eine Aufnahme aus einem KZ sein könnte, die „Steinträger“ weisen auf das Nachkriegselend 1919 ebenso hin wie auf jene, denen Steineschleppen über Steinstiegen den Tod oder lebenslanges Siechtum brachte.

Anders als bei Rembrandt ist dem Betrachter des Barlachschen Oeuvres die einfache Linie vorgestellt, die auszufüllen Engagement und Phantasie gleichermaßen fördern. Zusätzlich finden sich an die zwanzig Bronzen, zum Teil sehr berühmte, in der Arkadenhalle des Ruperti-nums, neben diesen Zeichnungen Barlachs, vom „Melonenesser“ bis zum „Singenden Mann“, auch Werke aus der späten Zeit.

Das Thema des nicht nur auf Jesus bezogenen „Ecce homö“ findet sich in dem riesigen Werk Alfred Kubins wieder, dessen 30. Todestages am 20. August zu gedenken ist. Hundert Meisterblätter aus dem Besitz der Albertina zeigt zur Festspielzeit das Rupertin um, die Galerie Altnöder in der Sigmund Haffnergasse assistiert mit einer noblen Auswahl, einige Blätter hängen auch im ersten Stock der Galerie Welz, die zur Zeit eine anspruchsvolle Schau von Zeichnungen und Bronzen Giacomo Manzüs elegant präsentiert.

Von einem „Traumprotokoll“ spricht Horst Bienek im Nachwort zu Alfred Kubins Roman „Die andere Seite“ von 1909, der eben als Taschenbuch wieder erschienen ist, und merkt an, „in dieser feinnervigen, magischen Prosa“ spüre man „schon die kommenden Erschütterungen und Veränderungen“. Eben diese Untergangsstimmung, vielleicht auch etwas von makabrer Ironie beherrschen fast ein jedes dieser Blätter. Die Bedeutung Kubins Uegt wohl darin, daß er auf unglaubliche Weise - dem Betrachter blitzt drohendes Schwarz mit Aufhellungen entgegen, was die Schauerlichkeit der Qualen dieser geplagten Seele deutlich macht -die Situation einer Zeit schildert,die noch gar nicht die seine war, die sich aber einstellte, als er selbst fast schon am Ende seiner Schaffenskraft war.

Das Apokalyptische, Endzeitliche ist keine erfreuliche Verheißung, doch Faszination stellt sich ein, sieht man den Künstler als Seismographen, der die leiseste Erschütterung in einem gesellschaftlich-politischen Gefüge in Strich und Farbe umsetzt. Eros und Thanatos heißt das Geschwisterpaar, das die großen Ausstellungen dieser Festspiel-Saison prägt, sieht man von den Salzburg-Bezügen in ihrer Ausschließlichkeit im Dommuseum (FURCHE 22/1989) und der Fischbach-Ausstellung im Museum Carolin o Auguste um ab. Musik und darstellender Kunst fügt sich seit längerem schon die bildende Kunst als unentbehrlicher zweiter Schwerpunkt ein, den die Wissenschaft in Form etwa des Angebots der Salzburger Hochschulwochen, in diesem Jahr mit dem Leitthema „Leid - Schuld - Versöhnung“ vielen Bildern dieser Ausstellung verwandt, sich als drittes einfügt.

(Ruperünum: bis 1. Oktober, täglich außer Montag 10 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 21 Uhr; SchloßHellbrunn: bis 10. September, täglich 9 bis 18 Uhr)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung