6805249-1972_03_09.jpg
Digital In Arbeit

Die lebenden Kompromisse

Werbung
Werbung
Werbung

Seit September 1970 wurden mehrere Versuche unternommen, die Gleichschaltung der katholischen Kirche in der CSSR mittels Gründung einer regimetreuen Organisation zu bewerkstelligen. Verschiedene sogenannte „administrative Maßnahmen“ wurden nacheinander angeordnet: Verbannung zahlreicher Priester, Säuberung der katholischen Presse, Personaländerungen an den katholisch-theologischen Fakultäten der Universitäten und bei der Caritas. Die Krone wurde auf das Neu-tralisierungswerk am 31. August 1971 in Prag und Preßburg gleichzeitig, mit der Begründung der regimetreuen Organisation „Pacem in Ter-ris“ — der Name wurde einfachheitshalber vom Papst Johannes XXIII. ausgeliehen — gesetzt. An der konstituierenden Konferenz nahm der tschechische Kultusminister, Miloslav Bruzek, teil, der eine Ansprache hielt und von einem

„wichtigen Schritt in den Beziehungen des Staates und der Kirche“ sprach. Damit soll „zur erfolgreichen Konsolidierung der tschechoslowakischen Gesellschaft“ etwas Großes geleistet worden sein.

Kirchliche Angelegenheiten gehören jetzt unter die Jurisdiktion des Kultusministeriums. Deshalb händigte Minister Bruzek das Autorisierungsdekret den Repräsentanten des Vorbereitungskomitees gleich aus. Die neue Organisation soll in Böhmen und Mähren — so sagte der Minister — den katholischen Klerus auf freiwilliger Basis zusammenfassen.

Die Organisation „Pacem in Ter-ris“ soll die Erbschaft der total kompromittierten „Friedensbewegung der katholischen Priester“ übernehmen und mit glücklicherer Hand verwalten. Die „Friedenspriester“ waren bloß Handlanger der KP und sie verschwanden zur Zeit des „Prager Frühlings“ — 1968 — von der Bühne. Die Leiter der KP-Kollaborateure in Soutane waren der berüchtigte ehemalige Minister, Josef Plo.ihar, Jozef Lukacovic und Alexander Horak.

Der amtierende apostolische Administrator des Erzbistums zu Olomouc, Kapitularvikar und Professor Josef V r a n a, wurde zum Leiter der neuen tschechischen Organisation ernannt. Er verkörpert einen lebenden Kompromiß zwischen dem Episkopat und den Macht-habern. Dasselbe kann von den neuen Chefredakteuren der katholischen Presseorgane Katolicke Noviny und Duchovni Pastyf gesagt werden: beim ersten heißt der neue Chefredakteur Jan L e b e d a, der ein politisch farbloser und nicht engagierter Schriftsteller ist; beim zweiten ist es der Theologieprofessor von Litomerice, Jaroslav M i c h a 1, der keine politische Tätigkeit früher ausgeübt hatte und sich derart nur auf katholische theologische Veröffentlichungen konzentrierte, daß er sogar im Klerus bekannt war.

In Preßburg wurde zur selben Zeit eine gleiche konstituierende Konferenz unter dem Patronat des slowakischen Kulturministers, Miroslav Valek, abgehalten. Die Hebel betätigte jedoch im Hintergrund der Generaldirektor des Sekretariates für Kirchenangelegenheiten, Karol Homola. Zum Vorsitzenden des Zentralkomitees der neuen Organisation wurde unter Druck Professor Miku-las V i s n o v k y „gewählt“, der im Jahre 1968 Dekan der Theologischen Fakultät in Preßburg war. Er ist schon 71 Jahre alt und Vorsitzender des Kirchengerichts in Preßburg.

Es wurde des weiteren ein Koordinierungskomitee gebildet, um die Arbeit in Prag und Preßburg in Einklang zu bringen. Eigentlich soll dieses Komitee die höchste Körperschaft der ganzen Bewegung werden, um ,,die Anstrengungen zur Stärkung des Friedens und der Freundschaft der Völker“ zu lenken.

Es ist bemerkenswert, daß die antireligiöse Propaganda in der Slowakei gleichzeitig ihren Höhepunkt erreicht hat und besonders in den Schulen sehr energisch vorangetrieben wird. Soviel ist noch durchgesickert, daß die neue katholische Organisation verpflichtet wurde, sich gegenüber der staatlichen und parteiamtlichen atheistischen Propaganda vollkommen taubstumm zu stellen. Im Gegenteil: „Pacem in Terris“ soll die KP unterstützen, in der Behauptung, daß große Fortschritte in der „Normalisierung des öffentlichen Lebens“ gemacht worden seien, vor allem jedoch in der kulturpolitischen Sphäre.

Die Regierungsbehörden in Prag und Preßburg haben die Organisation „Pacem in Terris“ bereits angewiesen, eine Analyse der stürmischen Vergangenheit auszuarbeiten, eine unmißverständliche Selbstkritik über das Verhalten des Klerus in der kritischen Zeit auszuüben und Sanktionen gegen Bischöfe und andere Würdenträger der Kirche zu verlangen, die zur Auflösung und Kompromittierung der Bewegung der „Friedenspriester“ etwas beigetragen haben. Und noch mehr! Alle Priester, die wegen Unterstützung des Novotny-Regimes 1968 kritisiert und enthoben worden waren, müssen voll rehabilitiert werden! Die neue Organisation scheint sich von der diskreditierten „Friedensbewegung“ nur dem Namen nach und in der Zusammensetzung der Führung zu unterscheiden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung