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Digital In Arbeit

Die nicht wissen, wo es wehtut

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Auch bei uns auf dem Land ist jetzt die Ruhe dahin. Das Leben wird von Jahr zu Jahr hektischer, aufregender. Man braucht Geld, um die Kinder studieren zu lassen. Es lockt das Motorrad, der Fernsehapparat, der Kühlschrank und die Waschmaschine. Wer kann, sucht sich neben dem Hauptberuf einen Nebenverdienst. Der Lebensgenuß wird verlockendes Ziel. Die Großfamilie zerbricht, und mit ihr die alte Wert-und Lebensordnung. Viele junge Leute gehen in die Stadt. Die Schule züchtet einen neuen, wissenschafts-orientierten Menschentyp. Und schließlich gibt es das Fernsehen, das bis in den letzten Winkel eine Fülle an Information und Unterhaltung ausstrahlt. Die primitivsten Lehmhütten sind heute mit großen Kalenderbildern von Film- und Schlagerstars tapeziert.

Und da steht der arme Missionar, lädt ein und drängt die Leute zu Beichte, Messe und Predigt. Natürlich ist das Fernsehen interessanter und die Arbeit wichtiger. Man bleibt einmal fort und noch einmal. Das dritte Mal wagt man sich dem Priester schon nicht mehr unter die Augen, weil man vorher zwei Sonntage geschwänzt hat.

Nur ein geringer Prozentsatz von Christen ist wirklich vom Glauben abgefallen, zurück ins Altheidentum oder ins religionslose Neuheidentum. Die meisten „verehren Gott in ihren Herzen“. Weil das tiefere Verständnis fehlt, fühlen sich viele von der Liturgie nicht angezogen, und die

Predigt ist wohl oft zu belanglos, zu abseits vom normalen Leben.

Was tun? Mir scheint, es geht darum, einmal die geistigen Bedürfnisse der Leute aufzudecken. Die Christen selbst sind ja bisher kaum zu Wort gekommen. Leider gleichen sie oft Kranken, die nicht wissen, was ihnen eigentlich weh tut. Der Glaube muß mit dem konkreten Leben konfrontiert werden, in das er hineingewoben, nicht angestückelt oder aufgeklebt wird. Meine Jugendgruppe war völlig überrascht, als ich bei meinem ersten formellen Vortrag nicht über Gott, Christus und die Sakramente sprach, sondern über ihre Probleme. Seit jenem Abend verstehen wir uns aber. Eine stärkere Betonung ist wohl auch die Forderung der Stunde. Sie vertieft das Erlebnis und gibt Halt.

Es gibt noch andere Anzeichen, die einen optimistisch stimmen könnten. Das sind die wirklich treuen, guten Christen, die Ausstrahlungskraft besitzen. Man findet sie in allen Altersgruppen. Eine Freude ist auch die Arbeit mit der Jugend. Wir haben in Chungpu eine lockere Organisation, der etwa 40 Burschen und Mädchen angehören, von denen sich die meisten zu keiner Religionsgemeinschaft bekennen. Wir sind gute Kameraden, und sie fühlen sich wohl bei uns. Wir machen zusammen Ausflüge, spielen und tanzen, plaudern und diskutieren. Wenn sie auch nicht gleich Christen werden wollen, unser Einfluß ist doch spürbar.

Kürzlich war ich mit einigen jungen Männern in einem Film; es war ein italienischer von der miserablen Sorte. Anschließend bestellten wir in einem kleinen Restaurant eine Hühnersuppe. Da sagte einer von ihnen: „Pater, bete du uns vor.“ Die können beten, die Kerle!

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