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Die Präsenz der Christen an den Universitäten

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Das Kapitel „Wissenschaft und Hochschulwesen” im „Fünfjahresbericht über den Stand der gesellschaftlichen Wirksamkeit der Kirche in Österreich” ist auf eine unabweisbare Herausforderung hin zugespitzt. Nach einem sehr sachlichen Überblick über die quantitative Ausweitung des Universitätswesens, einer pointierten Beschreibung der neuen Universitätsorganisation als merkwürdige Mischung demokratischer inneruniversitärer Willensbildung mit einer erweiterten staatlichen oder ministeriellen Leitungskompetenz, nach einer Situationsskizze der Theologischen Fakultäten sowie einer eher kursorischen Erwähnung kirchlicher Einrichtungen und Gruppierungen im Universitätsbereich (Kardinal-Innitzer-Fonds, Stiftung Pro Scientia, Katholische Hochschulgemeinde, Katholische Hochschuljugend, österreichischer Cartellverband) stellt der Fünfjahresbericht lapidar fest:

„Im Ganzen muß man jedoch sagen, daß extreme Gruppen (insbesondere Linksgruppen wie Marxistisch Leninistische Studentenorganisation (MLS), Gruppe revolutionärer Marxisten (GRM), Kommunistischer Studentenverband, neuerdings in Ansätzen auch Rechtsgruppen) auf Hoch- schulboden merklich intensiver agieren (und agitieren) als christliche Gruppierungen.”

Die damit von den Autoren des Kapitels „Wissenschaft und Hochschulwesen” dokumentierte Enttäuschung oder - positiv formuliert - Erwartung erfordert eine nähere Erläuterung der Proportionen und Perspektiven. Wenn dies nun aus der Kenntnis der Katholischen Hochschulgemeinden Österreichs versucht wird, der Perso nalpfarren für alle katholischen Universitätsangehörigen der österreichischen Universitäten, so gelten die folgenden Feststellungen abgewandelt auch für die katholischen Studentenorganisationen.

Die Katholischen Hochschulgemeinden in Wien, Graz, Innsbruck, Salzburg, Linz und Leoben - Klagen- furt befindet sich erst im Aufbau - sind mit wechselnder Intensität und verschiedenen Schwerpunkten derzeit die einzigen lebendigen Begegnungszentren für Universitätsangehörige. Ihre Studentenhäuser - zugleich Wohn- und Bildungszentren - stehen keineswegs vor dem Problem einer geringen Frequenz. Im Gegenteil: Das im Fünfjahresbericht nur kurz notierte „reichhaltige und qualifizierte Bildungsprogramm” sowie die Mensen, Bibliotheken, Cafeterias, Lese- und Musikübungsräume bringen eine pastoral und vor allem personell kaum noch überschaubare Fluktuation von Studenten in die Hochschulgemeinden.

Ein paar Zahlen aus dem eigenen Tätigkeitsbericht mögen dies verdeutlichen: Die Katholische Hochschulgemeinde Graz hat im Studienjahr 1976/77 bei 70 Veranstaltungen (fast drei pro Vorlesungswoche!) insgesamt 9800 Teilnehmer zu verzeichnen und dabei etwa Begegnungen mit den Theologen Rahner und Balthasar, dem russischen Dissidenten Jewgenij Ter- novsky, derzeit Schriftleiter der Zeitschrift „Kontinent” in Paris, ermöglicht. Den Eröffnungsgottesdienst für das laufende Studienjahr am 16. Oktober im Grazer Dom feierten rund 1000 Studenten mit.

In den anderen Hochschulgemeinden ist es im Prinzip nicht anders. Die gemeinsame Problematik liegt lediglich darin, daß alle diese Gemeinden eigentlich „nur” eine Art katholischer „Durchlauferhitzer” sind: jedes Jahr ist neu zu beginnen, ständig kommen neue Studenten mit unbekannten und zumeist unbestimmten Erwartungen, Gruppen sind zu büden, die engsten und erfahrensten Mitarbeiter unter den Studenten schließen ihr Studium ab…

Innerhalb dieser Rahmenbedingungen ist dann freilich die eingangs erwähnte Herausforderung anzunehmen. Und dabei wären genauere Hoffnungen seitens der kirchlichen Öffentlichkeit und seitens jener, die eine relativ idyllische Studiensituation vor 10 oder 20 Jahren erlebt haben, nützlich. Denn eine dem Beispiel linker Mini- grüppchen folgende, spektakulär und vordergründig die universitäre und außeruniversitäre Öffentlichkeit beschäftigende und schockierende Hochschulseelsorge wird man sich vernünftigerweise nicht wünschen können. Wo das versucht worden ist - etwa in bundesdeutschen Studentengemeinden - hat sich sehr rasch eine absolute Reduzierung der Zahl der angesprochenen und mitarbeitenden Studenten und eine substantielle Aushöhlung von Gottesdienst, Gebet, Nächstenliebe ergeben.

Im Blick auf die Zukunft, die den Universitäten weiter zunehmende Hörerzahlen bei gleichzeitig zunehmender Akademikerarbeitslosigkeit bringen wird, sei abschließend ein nur scheinbar banales Rezept formuliert: Alle katholischen Universitätsangehörigen, Studenten, Assistenten und Professoren, werden sich in verstärktem Ausmaß älsSubjekte der Universitätsseelsorge verstehen müssen, und zwar in den an ihrem jeweiligen Universitätsort existierenden Hochschulgemeinden oder katholischen Studentenorganisationen.

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