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Die Wahrheit trägt Handschellen

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In Prag fand kürzlich der Ge- malisierung“ im Sinne des Husäk-samtkongreß der tschechischen und Regimes auf dem Mediensektor setslowakischen Journalisten statt. Er zen. Madig — wie immer — wur-sollte ofenbar das Ende der „Nor- den denn auch die bösen „Rechtsopportunisten“ und sogenannten „Antisozialisten“ gemacht. Die können sich heute allerdings nicht mehr verteidigen. In den letzten Wochen wurde mehr als 1200 Journalisten der Umtausch ihrer Presseausweise verweigert: Sie sind damit aus dem öffentlichen Leben ausgeschieden. Dafür werden etwa 3S00 sogenannte Journalisten das Regime künftig schreibend hofieren dürfen.

Wie geht es heute nun den Ausgeschlossenen, offiziell Geächteten, Verleumdeten, den in ihrer Existenz Bedrohten? Wer nicht auf Parteilinie liegt, hat es schwer. Vor allem wegen der permanenten Kontrollaktionen der Partei, die alle Mitarbeiter von Verlagen, Zeitungen, Literaturinstituten, Rundfunk und Fernsehen betreffen. Besonders jene Leute sucht man, die nicht mehr in der Partei sind, denen es aber dennoch gelang, sich irgendwie durchzuwursteln; als Texter, Karikaturisten, Komponisten oder Übersetzer. Teilweise mit Hilfe von Pseudonymen, die das Publizieren und Geldverdienen immerhin noch ermöglichten. Wen die „reinigende“ Registrierkarte erfaßt, der ist er-

Hinzu kommen (wieder einmal) den Luisenburg-Festspielen in Wun-Fragebogenaktionen, welche Haltung siedel verweigert wird. Wenn plötz-man zur Invasion, pardon: Bruder- lieh das Stück „Zwei Nächte mit hilfe einnehme. Auch Ehefrauen, einem Mädchen“ von Josef Topol aus Kinder, Eltern werden befragt. Ein „technischen Gründen“ vom Spiel-Generationenkarussell. In der GSSR plan des Prager Theaters Za Branou meint man, daß diese bürokratischen abgesetzt wird. AFP meldete als-Erfassungen schlimmer seien als die bald die Auflösung der Krejca-Verhaftungen: die Verhafteten (in Bühne. der Regel ohnedies Prominente) Nach der Zerschlagung der alten würden eines Tages wieder freige- Künstierverbände aus der Dubceklassen. Den anderen werde Talent Zeit stand kürzlich der erste Konund schöpferische kulturelle Betatigung untergraben oder vernichtet. greji des neugegrundeten Kollaborationsverbandes der tschechischen

Ist es nicht eigentlich müßig w Schriftsteller ms Haus. Em Verband, immer wieder über die Repression der 96 Mitglieder zahlt — fürwahr des Geistes in der CSSR zu schreieine stattliche Zahl gegenüber den ben? Uber dieses „Biafra der Intelrund 400 Mitgliedern in vergangenen lektuellen“, von dem Aragon einmal ZeUen Vorsitzender des Verbandes sprach (wie summarisch der Aust Jm Nachfolger des ver. druck auch sein mag)? Interessiert storbenen Lyrikers Josef Kamar und

Autor eines ostslowakischen Bauern-

Heute ist es schon so weit, daß romans, für den er den Klementeine seriöse westdeutsche Zeitung Gottwald-Staatspreis einheimsen

Artikel von langjährigen Mitarbei- konnte. tern ablehnt, weil diese womöglich „Proclamer la verite“, schreibt der die Kontakte Prag-Bonn stören französische Schriftsteller Vercors könnten. Der private, soziale und ge- in der ersten Nummer der jetzt seilschaftliche Status der tschechi- aucft m französischer Sprache her-schen Intellektuellen wird durch die ausgekommenen tschechischen Exil-Ostverträge — bei allem Gerede von und Oppositionszeitschrift „Listy“, Entspannung und von Sicherheits- die von jm Pelikan in Rom betreut konferenz — auch nicht um einen wird. Vercors beklagt darin den Tod Deut verbessert. der tschechischen Publizistik. Mit ihr Vielleicht kann der tschechische sei auch die Wahrheit gestorben. Kulturminister Brüzek ' erklären, Deshalb seien die neuen „Listy“ als weshalb der Sozialismus gefährdet große Hoffnung zu betrachten. Freiist, wenn dem Regisseur Jaroslav lieh, die Wahrheit wird heute in der Dudek die Ausreisegenehmigung zu CSSR in Handschellen abgeführt.

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