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Ein Theater im Aufstieg
Einen vielversprechenden Auftakt der neuen Spielzeit im Tiroler Landestheater büdeten die Oper „Iphigenie in Aulis“ von Gluck und das Schauspiel „Das vierte Gebot“ von Anzengruber. Die Innsbrucker Oper hat schön seit langem einen über das Regionale hinausgehenden Ruf; nun bestätigt sich der Eindruck der letzten Spielzeit, daß auch das Sprechtheater an Niveau gewonnen hat und als gleichwertig zu betrachten ist.
Mit Gluck (es handelt sich um eine Innsbrucker Erstaufführung) durchbrach Intendant Helmut Wlasak die Reihe der romantischen und veristi- schen Opernaufführungen. Edgar Seipenbusch, dessen Stärke die präzise und klare Durcharbeitung der Partitur ist, konnte die dramatische und zugleich schon klassisch gemäßigte Musik des spätbarocken Komponisten auch aufgrund der guten Vorbereitung des Orchesters voll zur Wirkung bringen. Er sorgte für Harmonie zwischen Bühne und Graben; hinzu kam die tadellose sängerische Leistung der Solisten. Linda Trotter (Klytämnestra) gewinnt mehr und mehr an dramatischer Ausdruckskraft, wodurch ihre schöne Stimme unterstrichen wird. Stimmlich und darstellerisch überzeugend waren auch Werner Schürmann (Agamemnon) und Riccardo Calleo (Achilles). Die neu engagierte Sopranistin Christine Isley (Iphigenie) erfreute durch ihre jugendfrische Stimme, die technisch allerdings noch entwickelt werden muß. Die eine klassische Mäßigung in der Bewegung anstrebende Regie von Helmut Wlasak war etwas zu stereotyp, am deutlichsten in den Auftritten der Chöre, die übrigens musikalisch dem Gesamtniveau nicht entsprachen. Das Ballett war peinlich, trotz zweier guter Solisten, und hätte besser gefehlt. Sehr stimmungsvoll das barocke und doch wohltuend strenge Bühnenbild von Wolfram Kö- berl, das den sehr positiven Gesamteindruck der dem Werk angemessenen Aufführung unterstrich.
Oberspielleiter Oswald Fuchs konnte mit Anzengrubers naturalistischem „Volksstück“ beim Publikum Betroffenheit auslösen. Seine realistisch zurückhaltende Inszenierung und äußerst präzise Ausleuchtung der einzelnen Charaktere führten zu einer einheitlichen, hohen Ensembleleistung. Die Schwächen des Stückes: die Schwarzweißmalerei und die lose, manchmal etwas gewaltsame Verknüpfung der drei Handlungsstränge, wurden durch die Unmittelbarkeit der
Darstellung überdeckt. Das Kernproblem des Verhältnisses Eltern - Kinder hat, trotz der Wandlung der Familienstruktur, Aktualität. Bei der homogenen Ensembleleistung fällt es schwer, einzelne. Schauspieler hervor- zuhebeh. Dennoch überragte Marion Richtęr ih der kürzen Rolle der Großmutter. Die Ergänzung des Ensembles in den letzten Jahren bewährt sich. Die Schauspieler Werner Steinmassl, Franziska Grinzinger, Volker Kry- stoph, Kurt Müller-Waiden, Barbara Schalkhammer, Gerti Rathner, Raimund Folkert, Rudolf Hiessl und Isolde Ferlesch brachten in ihren zum Teil nicht einmal vom Stück her individualisierten Rollen glaubhafte Menschen auf die Bühne. Beide Aufführungen lassen große Erwartungen auf die Realisierung des ausgewogenen und interessanten Spielplans dieser Saison zu.
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