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Endrunde fUr keinen von beiden wurde Schlammschlacht

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Ein Leserbrief an das „Time Magazine“ hat die derzeitige innenpolitische Situation der USA grell beleuchtet. Da forderte ein mit den Kandidaten Ford und Carter höchst unzufriedener potentieller Wähler eine Stimmabgabe für „keinen von beiden“. Wenn diese Stimmen die Mehrheit erreichen sollten, wäre nämlich eine Wahlwiederholung mit anderen Kandidaten obligatorisch.

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Ein Leserbrief an das „Time Magazine“ hat die derzeitige innenpolitische Situation der USA grell beleuchtet. Da forderte ein mit den Kandidaten Ford und Carter höchst unzufriedener potentieller Wähler eine Stimmabgabe für „keinen von beiden“. Wenn diese Stimmen die Mehrheit erreichen sollten, wäre nämlich eine Wahlwiederholung mit anderen Kandidaten obligatorisch.

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Daß dieser Vorschlag zwar undurchführbar, aber doch recht konstruktiv ist, wird kaum jemand bezweifeln. Denn wie die Dinge jetzt laufen, werden kaum 50 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen kommen und werden daher mit ihrer Stimmenthaltung der Demokratie einen gefährlichen Schlag versetzen. Apathie, Interesselosigkeit herrschen vor. Für mindestens die Hälfte des Elektorats stellt Ford ebenso wie Carter eine Zumutung dar. Wer auch immer gewinnt, und wäre es selbst mit größerem Abstand als es jetzt wahrscheinlich zu sein scheint, wird kein populäres Mandat für sich in Anspruch nehmen können. Er wird daher genauso wie bisher Gefangener des Kongresses sein, der in den letzten Jahren über Gebühr Einfluß auf die Administration ausgeübt hat. Siegt Ford, so bleibt diese lähmende Situation bestehen. Initiativen aus dem Weißen Haus werden totgeredet und in Komitees ertränkt, Initiativen der Gesetzgebung durch Veto ■des Präsidenten blockiert. Ford nennt das „Kontrolle über den Hang zur Verschwendung des von Demokraten kontrollierten Kongresses“, die demokratischen Kongreßführer dagegen sprechen von einer „Obstruktionspolitik des Präsidenten“.

Siegt Carter, so wird er wohl in besserer Harmonie mit dem Kongreß arbeiten, dafür aber in dessen Schlepptau schwimmen. Keine Rede mehr von dem, was sich viele Carter-Anhänger anfangs unter einem starken populären Mandat vorstellten, das die Initiative des Handelns wieder dem Weißen Haus zuschieben würde.

Dabei ist die Qualität der Gesetzgeber um nichts besser als jene der Kandidaten. Der Kongreß sehneidet in Meinungsbefragungen womöglich noch schlechter ab als der Herr des Weißen Hauses.

Die Auspizien für die Demokratie in Amerika sind somit denkbar ungünstig. Eine Art von „Warten auf Godot“ hat eingesetzt und ein derartiges Klima bat noch immer zu außerkonstitutionellen Lösungsversuchen geführt. Watergate lag auf dieser Linie.

Es ist schon etwas daran, wenn Carter seinem Rivalen Ford Führungsqualitäten abspricht. Aber vor allem scheint er selbst keine zu besitzen und zum anderen wurde in diesem Waihlkampif ein profüierteres Auftreten sogleich durch kleinliche Verleumdungsversuche unterbunden. Diese Angriffe werden nicht auf der obersten Ebene vorgetragen. Es sind kleinliche, miese „Tritte gegen den Unterleib“, wie Churchill sie wohl bezeichnet hätte. So wurde Fords Integrität in Frage gestellt, und als Folge einer Denunziation der Watergate-Spezialanwalt Reff — natürlich ein Demokrat — mit einer Untersuchung über Fords Verwendung von Wahlgeldern.in den sechziger Jahren befaßt. Und das, obwohl Ford bereits vor seiner Nominierung zum Vizepräsidenten auf Herz und Nieren untersucht worden ist! Es dauerte immerhin drei Wochen, bevor der Spezialanwalt Ford von jeglichem Verdacht freisprach. In diesen drei Wochen nagte die Verleumdung an Fords Reputation und das mag ihn so manche Stimmen gekostet haben.

Dann versuchten es die Republikaner mit einer „Retourkutsche“. Verschiedenen Journalisten wurden Unterlagen über Carters Privatleben zugespielt, das nach diesen Versionen nicht immer nur auf der Suche nach Christus und in Erfüllung seiner Lehre verbracht worden sein soll. Die Angriffe gerieten damit auf das Feld persönlicher Beschimpfung, während Sachfragen undiskutiert Wieben. Jeder Kandidat hatte das Gefühl, er müsse angreifen, weil die Verteidigung den Gegner stets Zeit kostet und weil jegliche Verteidigung beim oberflächlichen Leser üblen Nachgeschmack hinterläßt.

Wen wundert es also, wenn mehr und mehr Wähler angeekelt das Ende des Wah'lkampfes herbeisehnten und sich vornahmen, am Wahltag zu Hause zu bleiben?

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