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Fall Ronacher

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Abbruch oder Rettung in letzter Minute? Das ist die Frage: Das Tauziehen um das Wiener Ronacher ist jedenfalls zu einem akuten Fall geworden. Gerüchte verdichten sich, daß alle Verhandlungen und Gespräche auf eine Demolierung hinauszulaufen drohen. Denn wer will sich schon das millionenträchtige Geschäft mit der Errichtung eines gewaltigen Betonbürokastens mit Garagen an diesem Standort entgehen lassen?

Zwar wedelt man im Wiener Rathaus immer noch verführerisch mit einer Zehn-MiUionen-Schilling-Sub-vention, die man dem kühnen Ronacher-Retter zu zahlen bereit ist. Aber was ist das schon gemessen an den tatsächlichen Kosten, die wohl zwischen fünfzig und hundert Millionen Schilling schwanken?! Und so hört man intern, daß man auch im Rathaus längst einigermaßen entmutigt ist und es für eine akzeptable Lösung hält, wenn einer wenigstens die Fassade mit den Säulen und der antiken Attika zu erhalten bereit ist. Damit das Ensemblebild für Altstadtfreunde wenigstens gewahrt bleibt.

Man versteht natürüch auch das Kulturwerk der Stadt Wien, das sich sagt: Lieber einmal ein paar Millionen spendieren, als eine immerwährende Monsterbelastung durch ein neues Theater auf sich nehmen.

Aber gibt es sonst keine Möglichkeit? Projekt um Projekt, das da ins Gespräch geworfen wird, zerschlägt sich. Lauter nebulose Pläne, ohne realistischen Hintergrund, und vor allem ohne finanzstarke Unterstützung. Selbst Unternehmen wie die Spielbanken AG, die eine Zeit lang von einer Beteiligung träumte, haben sich wieder still und leise zurückgezogen. Das findet jedenfalls auch der Miteigentümer des Ronacher, Baron Weißenberger, recht beklagenswert, der die Anteile an dem Unternehmen von Großvater geerbt hat und natürlich an einer Rettung interessiert -wäre.

Nun ist wieder ein Interessent aufgetaucht, der ankündigt, er wolle aus dem Ronacher ein glanzvolles Etablissement machen: Douglas Petro-vic, ein 27jähriger Grazer, hinter dem die Architektengruppe Appelt-Kneissl-Prochazka steht. Seit Juli arbeitet dieses Team an einer Studie, wie eine Adaptierung und Revitalisierung rentabel durchgeführt werden könnte. Was den Architekten vorschwebt, ist übrigens ein durchaus verlockendes Projekt. Zuerst einmal geht es um Bewahrung des einst prächtigen Bauwerks, das Stadttheaterfunktion erfüllte, dann weltberühmtes Varietee war, nach dem Zweiten Weltkrieg das Burgtheater beherbergte, dann als Showbühne an Truppen wie die von Ka-therine Dunham vermietet wurde und zuletzt vom ORF als Fernsehstudio adaptiert worden ist. Das Architektenteam träumt nun von einer Wiederherstellung des Originalzustands, aber mit Mehrzwecksälen, flexiblen Theaterräumen, vermietbaren Lokalen und Büroräumen. Und

Petrovic kündigt ein bißchen großspurig an: „Sämtliche Gespräche, die ich bisher mit Finanziers und an Partnerschaft interessierten Firmen führte, haben den Charakter von Zusagen.“ Ist also das Ronacher gerettet? Sicher nicht, wenn man sich an Weißenbergs Aussage hält: ,3isher hat er mir nicht einmal beweisen können, daß er Petrovic heißt. Geschweige denn, daß er Kauf und Renovierung des Ronacher finanzieren könnte!“

Eigentlich ist die Situation grotesk. Fast täglich hört man von irgendeinem Theatermann oder Veranstalter: „Wir brauchen ein Haus, eine Bühne, einen Saal!“ English-Theatre-Chef Franz Schafranek sucht ein Haus für sein Theatre Francais de Vienne, Dieter Haspels Ensembletheater hat mit seiner Minibühne im Konzerthaus die größten Probleme, wird dort außerdem nicht mehr lange bleiben können, da die „Josefstadt“ das Haus wieder in ihre Obhut nehmen will. Der Wiener Kammeroper droht eine Sperre, weil im Theater am Fleischmarkt die Dachkonstruktion durchgerostet ist. Und Kammeropernleiter Hans Gabor sucht ein Haus, weil er ja schließlich sein Unternehmen nicht gleich zugrunde gehen lassen will. Für Popkonzerte und Shows suchen nicht nur „Stimmen der Welt“ immer wieder mittelgroße Bühnen, für Gastspiele gibt es überhaupt kein freies Haus. Das Theater der Jugend hat überhaupt kein eigenes Schauspielhaus!

Und dennoch - Demolierung? Man glaubt es kaum. Nach dem Bürgertheater, dem Stadttheater, dem Sca-la-Theater, der Umwandlung so großer Theater wie des Apollo oder des eleganten „Insel“ in Kinos soll nun auch dieses Haus fallen, obwohl eigentlich enormer Bedarf an einer Bühne wäre? Sollte sich da das Ronacher als Vermietbetrieb nicht rentieren? Und könnten nicht soviele Nebenfunktionen in diesem Haus eingeplant werden, die den Betrieb rentabel machen müßten: so Büros, Restaurantbetrieb, Diskothek usw.?

Aber es geht bei all dem gar nicht nur um das Ronacher und seine Tradition, sondern um mehr: um städtebauliche und Struktur- und Altstadt-probleme. Denn will man dieses als Ensemble noch immer sehr gut erhaltene Innenring-Viertel jetzt durch einen scheußlichen Betonkasten endgültig zerstören, wie man es bei den Gartenbaugründen geschehen ließ? Und will man gar dieses Viertel durch einen Bürobau oder gar eine Garage (über die auch schon ein paarmal geredet wurde) in völlige Verödung drängen? Gerade ein Hotelbau, gekoppelt mit einem Zentrum für viele Aktivitäten könnte sich positiv auswirken. Man sollte diese Chance nicht übersehen. Vielleicht schlägt sogar einmal das „goldene Wiener (Beamten) Herz für dieses Stück Innenstadt. Nur all diese Probleme zu mißachten, wäre einfach unglaubliche Fahrlässigkeit! Gewissenlosigkeit gegenüber Wien.

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