6853026-1977_03_02.jpg
Digital In Arbeit

Junges Wiener Theater Endstation Planschbecken

Werbung
Werbung
Werbung

Wiens junge Theatergruppen brauchen Spielplätze. Häuser, in denen sie sich produzieren können. Wo Experimente möglich sind. Darüber sind sich eigentlich seit Jahren alle im klaren. Auch im Rathaus. Aber wen stört es schon? Da ist zum Beispiel Hans Grat- zers heimatlos „Werkstatt“, der das „Heimatkino“ versprochen wurde. Die Gruppe kurvt zur Zeit auf Tournee, weil für sie hier keine Spielwiese gefunden wurde.

Aber was ist in der Zwischenzeit geschehen, also in all den Monaten, seit Gratzers „Werkstatt am Kärntnertor“ demoliert wurde, um jetzt in ein Planschbad mit Saunabetrieb umgewandelt zu werden? Ist im „Heimatkino“ alles geplant, kalkuliert, gebaut und zurechtgebastelt worden, daß Gratzer - wie versprochen - im Herbst einziehen kann? Davon kann natürlich keine Rede sein. Den „Heimatkino“- Mietvertrag ziert vorerst noch nicht einmal eine Unterschrift, obwohl Gratzer bereits von einem Ensemble von etwa 30 Leuten und einer notwendigen Jahressubvention von rund fünf Mülionen Schilling spricht. Und für die Bauarbeiten fehlt vorerst überhaupt noch das Geld.

Zugleich spricht man aber bereits über ein weiteres Projekt. So soll im 22. Bezirk in der Siebenbürgerstraße ein „Zentrum 22“ entstehen: Denn dort gab Wiens „rote“ Kiba-Kinoge- sellschaft ein Lichtspieltheater auf. Der junge Wiener Regisseur Franz Strohmer griff schnell zu, um sich mit einem Theater für Offenbach und Ne- stroy zu etablieren.

Aber Theaterleiter Strohmer spricht von neun Mülionen Schüling fürs Startjahr 1977. Und aus dem Rathaus hörte ich von ganzen 220.000 Schilling, die zur Verfügung stehen werden.

Dann gibt’s da auch noch Dieter Haspels ehemalige „Cafetheater“-Trup- pe, der man mit dem Umbau des Kärntnertortheaters ebenfalls den Boden unter den Füßen wegzog. Auch sie hanteln sich jetzt halt provisorisch von Haus zu Haus (am besten bei den „Komödianten“ im Künstlerhaus).

Da ist auch noch das „Ronacher“, das eigentlich unbedingt gerettet werden muß!: Weü es ein architektonisch interessantes Haus ist; weü es auf eine bedeutende Tradition zurückblickt; weü es städtebaulich eine Katastrophe wäre, in das geschlossene „Ring“- Viertel einen Betonkoloß zu setzen;

weü es auch für die gesellschaftliche Vitalität des Viertels entscheidend wäre, dort einen Akzent wie ein bespieltes Theater zu haben; und weü an großem Showtheater in Wien Bedarf besteht Aber da sind wir bereits in einer Kategorie von rund 70 Mülionen Schüling an notwendigen Investitionen.

Aber wieso plötzlich solcher Theaterbedarf, fragt man sich. Da bleibt nur eine Antwort: weü man jahrelang ungeniert Theater niedergerissen hat- vom Jugendstü-Bürgertheater übers Stadttheater bis zur Scala -; weü neue Theaterbauten in Wien zum Unterschied zu anderen Großstädten überhaupt nicht existieren; und weü man zwar jahrelang über die Bedürfnisse der Jungen geredet hat. Nur ernstgenommen hat man sie nie so recht. Oder richtiger: Mit einer Ausnahme, Conny Hannes Meyers „Komödianten“-Thea- ter im Künstlerhaus. Aber das ist für acht Mülionen ja wohl ein „problematischer Fall“ geblieben. Ein Unding von einem Theater. Wenn dieses Haus Modell für weitere neue stehen müßte, wäre es fast gescheiter, auf dergleichen zu verzichten. Ist es also nicht fast symptomatisch, daß ein Planschbek- ken mit Saunabetrieb die Spielstätte ersetzt, an der Wiens wenige, aber interessante Avantgardegruppen ihre Narrenfreiheit genießen durften? „Ist halt drauf und dran, baden zü gehen, die Wiener Theaterjugend“, möchte man Wortspielerei betreiben. Und es bleibt nur zu hoffen, daß sich die Verantwortlichen noch rasch genug aufraffen, in einem Schwerpunktprogramm festzustellen, wo wirklich Not am Theater ist. Und was geschehen soü. Denn daß etwas geschehen muß, bezweifeln nicht einmal die, die sonst immer sagen: „Wir ham eh ka Geld!“

Wir bitten, Zuschriften an die Verwaltung der FURCHE mit der Anschrift

1010 Wien, Reichsratsstr. 17/IV zu versehen, Zuschriften in Abonnementfragen aber an den Vertrieb

Pressehaus St. Pölten, Gutenbergstr. 12, 3100 St. Pölten, zu richten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung