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Folterhölle Paraguay

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Kann eine christlich-demokratische Partei für radikale Wandlungen in der Gesellschaft eintreten? Kann sie überhaupt revolutionär sein?

Mit einem eindeutigen „Ja“ beantwortete der 60jährige, gebrechlich wirkende, stets freundliche Führer der Christdemokraten Paraguays, Prof. Alfonso Resck, diese Fragen.

„Wir betrachten uns als linksstehend. Im Christentum suchen wir Erlösung und nicht die Legitimation für Klasseninteressen“. Die Erlösung wird aber nicht in das Jenseits projeziert, sondern durchaus irdisch verstanden, als Erlösung von der institutionalisierten Gewalt, von den ungerechten strukturellen Verhältnissen.

Als Christen sind sie gegen jede Form von Unterdrückung, selbstverständlich gegen Verfolgung und Folter und daher gegen die Situation in ihrem Land. Reagans Lateinamerikapolitik wird abgelehnt. Als Vision schwebt Prof. Resck ein demokratisches, nach dem Westen orientiertes Paraguay vor mit einer pluralistischen Gesellschaft.

Als Vorsitzender einer Oppositionspartei will er die Weltöffentlichkeit — zuletzt auch in Wien — auf die Situation eines der rückständigsten Länder Lateinamerikas aufmerksam machen, auf den Agrarstaat Paraguay mit seinen rund 3 Millionen Einwohnern und auf die mehrere hunderttausend Ausgewiesenen.

Die unbeschränkte Macht liegt in den Händen des deutschstäm-

migen Generals Alfredo Stroess- ner. Man sagt in Paraguay, daß er sogar für das Wetter zuständig sei. Der am längsten amtierende Staatschef in Lateinamerika hält seit 1954 eine grausame Diktatur aufrecht. Er stützt sich dabei auf das Militär, das unter der Parole der Aufrechterhaltung der „nationalen Sicherheit“ gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt wird. Aber das ist ja kein Einzelfall in dieser Region.

Die einzige Stimme, die sich ge-

gen die Herrschaft erhebt, ist jene der Kirche, die auch bereits Opfer der Gewalt wurde. In einer beispiellosen Aktion sprach sie im Anschluß an Folterungen die Exkommunikation gegen die staatliche Autorität aus. Paraguay ist eines der wenigen Länder des Subkontinents, wo sich die Bischöfe mehrheitlich gegen das Regime stellen.

Besonderes Kopfzerbrechen

bereitet der Regierung die oppositionelle Haltung der Jesuiten. Dabei ergeben sich historische Parallelen, denn so wie vor fast vier Jahrhunderten, als die Jesuiten ihr „heiliges Experiment“ durchgeführt haben, droht ihnen auch heute die Ausweisung.

Um sich einen demokratischen Anstrich zu geben, mußte die Regierung eine „Opposition“ zulassen. Eine offizielle Anerkennung der christlich-demokratischen Partei erfolgte aber nicht. Aufgrund ihrer politischen Vorstellungen wird sie von der Regierung als „kommunistisch“ diffamiert, was gleichzeitig als Rechtfertigung für ein entsprechendes Vorgehen dient.

Prof. Resck kann sich gar nicht mehr erinnern, wie oft er inhaftiert war. Vergessen hat er es aber nicht, denn die Folgen der Folterungen erinnern ihn ständig daran.

In den sechziger Jahren brach man ihm drei Rippen und einen Rückenwirbel. Die Schädigungen am Geschlechtsorgan sind irreparabel. Vor einigen Jahren machte

er auch mit jener gern geübten Praxis Bekanntschaft, bei der der „Delinquent“ brutal in eine mit Exkrementen vollgefüllte Badewanne untergetaucht wird. Aus der Zeit dieses Gefängnisaufenthaltes datieren auch seine Magengeschwüre..

Während seiner letzten Inhaftierung im Juni 81 ging er in einen Hunger- und Durststreik und fiel nach fünf Tagen in Bewußtlosigkeit. Einer der Folterknechte, der früher einer seiner Schüler war, veranlaßte — aus einem Rest von Mitleid heraus - seine Einweisung in ein Krankenhaus. Anschließend wurde er ausgewiesen.

Seitdem pilgert Prof. Resck in der Welt umher und bemüht sich um Solidarität für das unterdrückte Volk von Paraguay.

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