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Fragen an Leonardo Boff

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Leonardo Boff ist aus dem Franziskanerorden ausgetreten und hat um Laisierung angesucht. Dazu er selbst: „Ich verlasse das Priesteramt, aber nicht die Kirche. Ich scheide aus dem Franziskanerorden, aber nicht von dem zärtlichen und geschwisterlichen Traum des Franz von Assisi." Was in seinem Inneren vorging, verrät der bittere Vorwurf: „Es ist ihnen gelungen, meine Hoffnung zu zerstören. Das ist schlimmer, als den Glauben zu verlieren."

Boffs Entwicklung und besonders sein letzter Schritt werfen ein grelles Licht auf Tendenzen in der katholischen Kirche und die Art, wie Differenzen in ihr ausgetragen werden. Bei allem Mitgefühl, das er verdient, würde ich ihn aber gerne folgendes fragen:

Kann er als Theologe jetzt wirkungsvoller arbeiten? Seine zum Teil ohnehin provokanten Thesen werden von vielen nun noch weniger an den Argumenten, als an seiner demonstrativen Haltung gemessen werden. Große Theologen vor ihm, die vor dem Konzil ähnliche Lehroder Schreibverbote hatten, sind in Orden und Priesteramt geblieben. Als die Zeit reif war, ist ihre Theologie offiziell rezipiert worden.

Kann er jetzt den Armen besser helfen? Partiell vielleicht, weil Ordensdisziplin ihn nicht mehr hindert. Insgesamt eher weniger, weil er den Orden nicht

mehr hinter sich hat und als Einzelgänger ein schwächerer Anwalt der Armen wurde. Und werden diese nicht seine priesterliche Hilfe vermissen?

Er fürchtete, ohne diesen Schritt sich selbst untreu zu werden, seine Identität zu entstellen. Ob nicht hier, bei aller Rücksicht auf persönliche Verwundung, eine moderne Versuchung hereinspielt, um der eigenen Verwirklichung willen andere, auch mögliche Wege gar nicht mehr suchen zu wollen?

Die Gegner Boffs, und es sind leider viele, werden selbstgefällig urteilen: Wir haben schon gewußt, er meint mit Sakrament und Amt in der Kirche anderes, als die Kirche lehrt. Ich bin überzeugt, er tut es nicht. Aber hätte sein Bleiben im Orden und Priesteramt dies nicht noch unbestreitbarer bezeugt?

Boffs „Verzicht" wird der Befreiungstheologie und dem Aufbruch der Basisgemeinden nicht direkt schaden. Die vielen aber in der Kirche, die von Resignation bedroht sind, trifft sein Schritt schwer. Wenn selbst ihm, bei solcher Spiritualität und Radikalität evangelischen Lebens die Hoffnung „zerstört" wurde, was bleibt dann für die „Schwächeren"? Dürfen, sollen auch sie bestimmte Posten in der Kirche verlassen?

Ich schätze Leonardo Boff, bedauere aber, was er tat. Ob er seinen Protest nicht anders hätte artikulieren können?

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