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Frauen früher in Pension?

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Eine der ersten wirtschaftlich wie gesellschaftlich wichtigen Fragen, bei denen Erhard Busek Farbe bekennen wird müssen, ist die Pensionsreform. Von der Dringlichkeit her vor allem bei der Frage nach dem Pensionanfallsalter für Frauen. In den letzten Wochen verstärkte sich nämlich deutlich der Druck der Parteifrauen von SPÖ und ÖVP, die vom Verfassungsgerichtshof als gleichheitswidrig aufgehobene einfachgesetzliche Regelung (Frauen können schon mit 55 beziehungsweise 60, Männer erst mit 60 beziehungsweise 65 Jahren in Pension gehen) durch ein Gesetz im Verfassungsrang festzuschreiben.

Begründung: Berufstätige Frauen seien durch Haushalt und Kindererziehung einer Doppelbelastung ausgesetzt, die - gegenüber Männern - entsprechend früher zu „Verschleißerscheinungen" führt; es sei daher legitim, wenn sich Frauen auch entsprechend früher aus dem Berufsleben zurückziehen können. Ich meine, daß eine verfassungsgesetzliche Absicherung eines niedrigeren Pensionsanfallsalters für Frauen bestenfalls die zweitbeste Lösung ist. Erstens halte ich die in Mode kommende Praxis des Gesetzgebers, Sprüche des Verfassungsgerichtshofes durch entsprechende parlamentarische Mehrheiten zu konterkarieren, demokratiepolitisch für bedenklich. Wo endet eine Praxis, die bei der Frage der Vergabe von Taxikonzessionen begann? Zweitens, und vor allem aber, ist es den Frauen gegenüber eine im Grunde genommen menschenverachtende Lösung: Man läßt sie sich kaputt machen und schickt sie dann, weil sie im Beruf nicht mehr die volle Leistung bringen, in Pension. Obwohl ihre durchschnittliche Lebenserwartung deutlich höher als die der Männer ist. Sie dürfen also die sich durch die Doppelbelastung zugezogenen Leiden entsprechend lange mit sich herumschleppen. Ein Nonsens, vergleichbar einem Gesundheitssystem ohne Vorsorgemedizin (also im wesentlichen dem österreichischen). Will man den Frauen wirklich helfen, muß der Gesetzgeber alles dazu unternehmen, daß sie sich erst gar nicht kaputt machen; also dafür Sorge tragen, daß es eben nicht zu dieser Doppelbelastung durch Familie und Beruf kommt. Die Anrechnung der beitragsfreien, mit der Kindererziehung verbrachten Zeiten ist dazu ein wichtiger Ansatz, darf aber nicht der einzige Beitrag bleiben. Was nützt diese Anrechnung, wenn es sich eine Frau aus finanziellen Gründen gar nicht leisten kann, mehrere Jahre auf ein eigenes Einkommen zu verzichten?

Rein mathematisch müßte ja wohl einiges für entsprechende Transferzahlungen zusammenkommen, wenn beispielsweise drei beitragsfreie Jahre angerechnet werden, die Frauen aber fünf Jahre länger arbeiten. Wäre es nicht klüger, sich dafür stark zu machen?

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