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Fußgängerzone hat Zukunft

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A m Beispiel Wiens läßt sich einiges von den allgemeinen Trends der letzten Jahrzehnte illustrieren: So ist etwa die zer- siedelte Stadtregion von 1900 auf 1981 auf das Dreizehnfache gewachsen. “Darin wird die das Umland flächenhaft erschließende Wirkung des Automobils sichtbar -: wohingegen Stadterweiterungen sich vorher nur sternförmig entlang leistungsfähiger Bahnlinien kristallisieren konnten“, kennzeichnet der Ökokologe Bernd Lötsch (in seinem Beitrag “Stadtökologie als Politik“ in “Umweltreport Österreich“) die Situation.

Enorme Flächen wurden für die Fahrzeuge eingerichtet. Kein Wunder, wenn man bedenkt, daß ein Pkw-Abstellplatz mit 20 Quadratmetern nur etwas kleiner ist als ein durchschnittlicher Arbeitsplatz . Geht man davon aus, daß Ende 1987 rund 620.000 Fahrzeuge zugelassen waren, so ergibt dies eine Fläche von 12,4 Quadratkilometer. Das sind drei Prozent der Wiener Stadtfläche.

Im Vergleich dazu ist der Anteil der Großstädter an öffentlichen Parks, Sport- und Spielplätzen mit nur 15 Quadratmeter je Einwohner in der Bundeshauptstadt äußerst bescheiden. Im dichtverbauten Gebiet Wens, also in den Bezirken zwischen Gürtel und Ring, gibt es sogar nur 2,5 Quadratmeter Park pro Bewohner!

Ganz beachtlich ist auch der Flächenbedarf der modernen Verkehrsbauten: Der Autobahnknoten VÖsendorf (im Süden von Wien) bedeckt zum Beispiel - wenn man den Lärm- und Schmutzgürtel rund um das Gebilde mit hinzu rechnet - diesselbe Fläche wie die gesamte Wiener Innenstadt.

Seit 1950 fällte Wien etwa 30.000 Alleebäume wegen Fahrbahnerweiterungen und viele andere Bäume gingen wegen Bodenverdichtung durch parkende Autos, Betonierung offenen Erdreichs und Rindenverletzungen durch Stoßstangen zugrunde. Erst in den letzten Jahren ist hier ein Umdenken festzustellen. In Wohnstraßen werden Fahrbahnen verengt und Bäume, sowie Büsche gepflanzt. Einen wichtigen Beitrag zur Erhaltlang der Bäume hat auch der Verzicht auf das Salz-

streuen im Winter gebracht. Vor allem die Kastanien hatten unter der Salzstreuung besonders gelitten.

Starke Veränderungen gab es auch in den Einkaufsgewohnheiten: Der Trend zum autogerechten Supermarkt - er hat sich durch die Entstehung von Einkaufszentren an der Stadtperipherie im letzten Jahrzehnt besonders akzentuiert - führte zu einem Massensterben bei den Greißlern und hat damit langsam die Nahversorgung in manchen Bereichen deutlich verschlechtert. Die am Stadtrand gelegenen Zentren sind überdies in besonderem Maß Verkehrs erregend - und zwar überwiegend Autoverkehr auslösend. Denn wer tut es sich schon an, Großeinkäufe mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu tätigen? Daß diese Einkaufszentren außerdem meist noch durch massive öffentliche Investitionen in Verkehrsb auwerke subventioniert werden, ist mehr als fragwürdig - auch vom Standpunkt einer fairen wirtschaftlichen Konkurrenz.

Dieser Trendzur Stadterweiterung (einem von Le Corbusier entwickelten Konzept der Aufteilung der Städte in Spezialbereiche “Wohnen“„ “Arbeiten“, “Erholen“ und “Verkehr“ folgend) wurde auch kräftig durch öffentliche Mittel subventioniert: Zwischen 1960 und 1976 verhielt sich in Wen der Aufwand für Erneuerung gegenüber dem für Erweiterung wie eins zu 3,3 und für die Jahre 1978 bis 1982 war die Relation sogar eins zu 3,6. Erst in jüngster Vergangenheit ist ein deutlicher Akzent in Richtung Stadterneuerung und Stadtreparatur zur erkennen.

Endlich setzt sich auch der Trend zur Einrichtung von Fußgängerzonen durch - nicht zuletzt deswegen,

weil sich diese verkehrsarmen Zonen als äußerst günstige Standorte für die Wirtschaft erwiesen haben. Die enorme Zunahme des Städtefremdenverkehrs ist sicher nicht zuletzt auf die Attraktivität der vornehmlich in den historischen Stadtkernen eingerichteten Fußgängerzonen zurückzuführen. Daher bestehen Pläne, den Fußgängerbereich auf einen Großteil der Wiener Innenstadt auszudehnen. Schon jetzt ist ja der Durchzugsverkehr für Kfz durch den ersten Bezirk weitgehend unterbunden.

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