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Geglücktes Unterfangen
Abzuschreiben, was andere bereits voneinander abgeschrieben haben, daß nämlich die Verfilmung von Opern ein fragwürdiges Unterfangen sei, wäre nicht nur langweilig, es träfe auch im vorliegenden Falle nicht zu. Die
Ostdeutschen holten sich aus Italien die besten Sänger, deren sie habhaft werden konnten, steckten sie in nahezu stilechte Renaissancekostüme und zwangen sie mit Hilfe des Regisseurs Wolfgang Nagel, der dazu einige herrliche Einstellungen zuwege brachte, sich wie Schauspieler zu benehmen. Sie zwangen ihre Dresdner Staatskapelle und die Chöre ihrer Dresdner Staatsoper mit Hilfe des ebenfalls aus Italien importierten Francesco Molinari-Pradelli, die richtigen Tempi zu halten. Das Unterfangen glückte. „Rigoletto“, bei uns in FS 1 dargeboten, war alles andere denn fragwürdig. Welcher Genuß, wenn Verdis Musik zudem von der kurzsilbigen, vorne artikulierten Sprache getragen wird, für die sie geschaffen ist!
Die Vorlage zu Francesco Maria Piaves Textbuch Victor Hugos „he roi s'amuse“, greift auf den uralten Trick aller Jakobiner zurück, den Sexualneid der Massen gegen die jeweils Herrschenden zu mobilisieren. Dieser Trick wurde allerdings bisher nur gegen Könige mit Erfolg angewandt. Präsidenten, von der Kennedy-Dynastie abgesehen, sind offenbar in erotischer Hinsicht weniger attraktiv.
Bei der Vertonung spielte jedoch Verdis Unterbewußtsein dem politischen Bekenntnis Verdis einen Streich. Die Musik sagt etwas anderes als der Text. Der arme Rigoletto nämlich hat einen einzigen gloriosen Augenblick, wenn er mit der Stretta am Ende des larmoyanten dritten Aktes, mit „Vendetta, ah tremenda Vendetta!“ das Publikum von den Sitzen empor- und in die Beifallsstürme hineinreißt. Eindeutig verliebt hingegen ist Verdis Musik in den Herzog von Mantua, alias Francois I.er, roi de France, in diesen gewissenlosen, menschenverachtenden, das Leben meisternden, sieghaften Renaissancemenschen nach dem Herzen Friedrich Nietzsches. Bei ihm bedarf es keiner Übergänge und keines Leerlaufs, ihm gehören die unglaublichsten Einfälle, von „Quesf o quella“ bis „muta d'ae-cento e di pensier“. Dieser merkwürdige Umstand ist offenbar noch niemandem aufgefallen, nicht einmal einem Marcel Prawy. Er hängt wohl damit zusammen, daß der Nationalist Verdi zwar republikanisch redete, zugleich aber von den (zahmen) Königen aus dem Hause Savoyen fasziniert war.
„Ach, wie so trügerisch“, diese populäre Phrase, dürfte übrigens das Plumpste sein, das jemals einem Ubersetzer eingefallen ist. Das Original, „La donna e mobile“, lautet vielmehr: Frauen sind beweglicher (als wir Männer), sie wechseln rascher die Akzente, rascher die Gedanken.“ Das ist nicht, wie im Deutschen, beleidigend, sondern sehr römisch und sehr elegant.
Als Verdi Wien besuchte, lud Kaiser Franz Joseph ihn, den politischen Erzfeind, dessen Genie er verehrte, ein, in der Hofburg zu wohnen. Verdi lehnte ab. Das erinnert an die berühmte Szene auf der Karlsbader Kurpromenade, als der jakobinische Rüppel Beethoven grußlos quer durch die kaiserliche Familie hindurchging und von dieser, die um seine Größe wußte, höflich gegrüßt wurde. Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, wer in diesen beiden Fällen Überlegenheit bewies. Aber auch das scheint niemandem aufzufallen.
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