6827377-1974_19_04.jpg
Digital In Arbeit

Geschäftsphilosophie

Werbung
Werbung
Werbung

Im Wiener Wahlkampf 1973 wurden zum erstenmal Geschäfte des „Baurings“ bekannt, bei denen der Gemeindebetrieb rund 160 Millionen Schilling in Saudi-Arabien verspielt haben soll. Israelische Quellen machten darauf aufmerksam, daß der Bau von Militärflughäfen und -anlagen einer „Waffenlieferung“ gleichkomme. Der „Bauring“-Aufsichtsratsvorsitzende, der Wiener SPÖ-Klubob-mann Suttner, meinte damals kaltschnäuzig, daß derlei Projekte mit Ideologie überhaupt nichts, mit Profit dagegen alles zu tun hätten. In einer mündlichen Anfrage im Parlament meinte Außenminister Kirchschläger, daß aus neutralitätspolitischer Sicht gegen Kriegslieferungen (Militärflughafen, Hangars für Jagdflugzeuge, Beobachtungstürme) nichts einzuwenden sei und lag damit ganz auf Linie der Wiener SPÖ.

Neun Monate später hält sich hartnäckig in Wien das Gerücht, daß ein Teil der Provision für die Vermittlung des „Bauring“-Geschäftes nach Saudi-Arabien über Bankverbindungen in Liechtenstein auf Privatkonten geflossen sein soll. Klubobmann Suttner meint jedenfalls, daß man noch nicht weiß, „ob das Ganze Pech, Schlamperei oder eine strafbare Handlung ist... sollten strafbare Tatbestände festgestellt werden, schalten wir den Staatsanwalt ein.“

Nicht unähnlich den saudiarabischen Geschäften des „Bauringes“, worüber britische und amerikanische Zeitungen weit mehr berichten als österreichische Gazetten, scheint es sich — aus neutralitätspolitischer Sicht — bei Geschäften des Stahlkonzerns VÖEST mit dem von der UNO verfemten Rhodesien um Verwandtes zu handeln. Seit Mitte April veröffentlichten die britischen „Sunday Times“ serienweise Dokumente, aus denen hervorgeht, da/? die VOEST bereit war, unter Umgehung der UN-Resolution von 1968 eine LD-Anlage ins Land der weißen Vorherrschaft, Rhodesien, zu liefern.

Bisher wurde der UN-Welthandels-Boykott ausschließlich von am Rande des Wirtschaftslebens angesiedelten Transakteuren durchbrochen, erstmals wurden nun Geschäfte eines staatseigenen Konzerns aufgedeckt. Nach Meinung des Sekretärs des UNO-Sanktionskomitees, James Ngobe, stellt das Stahlgeschäft der VOEST mit Rhodesien „alles bisherige in den Schatten.“ Am 2. Mai forderte der Sanktionsausschuß des UN-Sicherheitsrates Österreich auf, innerhalb eines Monats zu den Anschuldigungen gegen die VÖEST und auch die Austrian Airlines und die

Simmering-Graz-Pauker-Werke Stellung zu nehmen.

Wie inzwischen auch bekannt wurde, handelt es sich bei der VÖEST-Transaktion um den Ausbau der Stahlkapazität Rhodesiens von 400.000 auf eine Million Tonnen. Bei den Austria Airlines geht es darum, daß Anschlußflüge nach Rhodesien gebucht worden sein sollen, den Sim-mering-Graz-Pauker-Werken wird vorgeworfen, drei Lokomotiven (über Südafrika) nach Rhodesien geliefert zu haben.

Österreichs UNO-Botschafter Jan-kowitsch, sonst eher Publicity-interessiert, gibt sich zu den UNO-An-schuldigungen sehr zurückhaltend: „Noch ist Österreich nicht auf dem Schafott“, meint er, und baut im übrigen auf den Zeitfaktor: „Die Prozedur ist so komplex, die Materie so verwoben, das Komitee wird sicher Monate darüber tagen.“

Ungeachtet solcher Hoffnungen, ungeachtet auch der vitalen Geschäftsinteressen kommunaler und staatlicher Unternehmen, stellt sich die Frage, ob nicht Österreichs Außenpolitik eine schwere Schlappe erlitten hat. Ein Staat, der angesichts einer eher zerrütteten Situation seines Heeres eingestandenermaßen auf eine Außenpolitik des „guten Wetters“ setzt, muß nun zur Kenntnis nehmen, daß es auch damit nicht weit her ist. Ein Staat, der 1968 UN-Resolutionen zustimmt und sie wenige Jahre später von staatseigenen Unternehmungen durchbrechen läßt, ist dabei, viel an außenpolitischer Reputation einzubüßen. Das ist so selbstverständlich, daß auch die tröstenden Worte des Bundeskanzlers oder des Außenministers daran nichts zu ändern vermögen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung