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Hat der neue Preisindex schon versagt?

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Am 25. März 1977 wurde der neue Verbraucherpreisindex für den Monat Jänner 1977 erstmals veröffentlicht. Gegenüber Jänner 1976 zeigte er einen Preisanstieg von 5,9 Prozent, viel mehr, als Optimisten noch vor wenigen Wochen als Schätzungen unter der Hand verbreiteten. Damals glaubten sogar einige Experten, der Preisindex vom Jänner 1977 könnte gegenüber Jänner 1976 einen Anstieg von nur 5 Prozent anzeigen. Eine Inflationsrate von 5 Prozent kennen die Österreicher bald nur noch vom „Hörensagen“, zuletzt wurde sie im Jahre 1971 erreicht.

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Am 25. März 1977 wurde der neue Verbraucherpreisindex für den Monat Jänner 1977 erstmals veröffentlicht. Gegenüber Jänner 1976 zeigte er einen Preisanstieg von 5,9 Prozent, viel mehr, als Optimisten noch vor wenigen Wochen als Schätzungen unter der Hand verbreiteten. Damals glaubten sogar einige Experten, der Preisindex vom Jänner 1977 könnte gegenüber Jänner 1976 einen Anstieg von nur 5 Prozent anzeigen. Eine Inflationsrate von 5 Prozent kennen die Österreicher bald nur noch vom „Hörensagen“, zuletzt wurde sie im Jahre 1971 erreicht.

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Vergleicht man den Jännerindex 1977 mit dem Dezemberindex 1976, dann stiegen die Preise innerhalb eines Monats um 1,7 Prozent, auch nach der neuen Berechnung! Man kommt zu einer Jahresinflationsrate von 20,4 Prozent, multipliziert man den Monatsanstieg von 1,7 Prozent mit zwölf. International wird nicht nur der Jahresabstand des monatlichen Preisindex als Kriterium für die Inflationsentwicklung angesehen, sondern auch der mit zwölf multiplizierte Monatssprung des Preisindex, da dieser viel besser erkennen läßt, ob sich die Inflation stabilisiert, beschleunigt oder ob sie rückläufig ist.

So betrugen beispielsweise die Monatssteigerungen des alten Preisindex im Oktober 0,4 Prozent, im November 0,1 Prozent und im Dezember 1976 0,5 Prozent, d. h. auf Jahreswerte umgerechnet betrug die Inflationsrate im Oktober 4,8 Prozent, im November 1,2 Prozent und im Dezember 1976 6 Prozent. Sie lag also während dieser drei Monate beträchtlich unter dem Jahresabstand von 7,2 Prozent. Mit anderen Worten, im letzten Quartal 1976 ging die Inflation in Österreich zurück, im Jänner 1977 hat sie sich wieder stark beschleunigt.

Vom Standpunkt der Regierung und der Notenbank hat der neue Preisindex einen großen Vorzug. Wie jede Indexumstellung führt er zü einer Verflachung des Preisanstiegs, die in diesem Fall auf etwa 1 Prozent geschätzt wird. Mit dem alten Preisindex gemessen, hätte die Jännerinflationsrate 6,9 Prozent betragen!

Wodurch entsteht nun diese Verflachung des Preisanstiegs? Der neue Verbraucherpreisindex basiert auf der Konsumerhebung des Jahres 1974, der alte Index verwendete die Konsumerhebung des Jahres 1964 als Basis, die Verbrauchsgewohnheiten der Österreicher haben sich aber seit 1964 gewaltig geändert. Der neue Warenkorb, so bezeichnet man die Summe aller Güter, deren Preisveränderungen gemessen werden sollen, besteht jetzt aus 582 Gütern, hat sich also gegenüber 1964 um fast 330 Warenpositionen erhöht. Gleichzeitig wurde die Anzahl von Städten, in denen Preiserhebungen durchgeführt werden, von 10 (Wien, alle Landeshauptstädte plus Wiener Neustadt und St. Pölten) um 10 weitere Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern erhöht.

Gerade die Einbeziehung dieser Städte muß aber zu einem geringeren Preisanstieg fuhren, da nun das Gewicht der großen Städte und besonders das von Wien geringer geworden ist Bekanntlich ist Wien heute eine der teuersten Städte der Welf wie es erst vor wenigen Wochen eine UNO-Stati- stik festgestellt hat, die die Lebenshaltungskosten von UNO-Beamten in Wien höher veranschlagt hat als in New York oder Paris! Da man in den kleineren österreichischen Städten billiger lebt und andere Verbrauchsgewohnheiten hat, muß dies Auswirkungen auf den neuen Index haben.

Der neue Index bringt aber auch große Vorteile für die Konsumenten. Sein größerer Warenkorb entspricht den Verbrauchsgewohnheiten des Jahres 1977 besser. So betrugen 1964 die Ausgaben für Ernährung und Getränke 37 Prozent der Gesamtausgaben, 1974 waren es nur noch 29 Prozent. Anderseits ist der Anteü der Dienstleistungen an den Gesamtausgaben von 9 Prozent auf 17 Prozent angestiegen.

Durch die Verdoppelung der beobachteten Zahl der Güter im Warenkorb wird die Manipulation des neuen Preisindex durch die Regierung schwieriger. Ein Beispiel dafür war im alten Preisindex die Produktgruppe Autos, sie wurde allein vom VW-Käfer repräsentiert. Künftig werden statt einer Autotype die ersten 34 Typen der Autozulassungsstatistik herangezogen.

In der Vergangenheit hatte es sich gezeigt, daß immer dann, wenn nur ein Produkt eine ganze Produktgruppe repräsentiert, die Versuchung groß ist, den Preis gerade dieses einen Produkts künstlich niedrig zu halten und den Händlern dafür bei anderen, nicht im Index enthaltenen Produkten einen Preisausgleich anzubieten.

Die Veröffentlichung des neuen Preisindex muß sowohl die Regierung wie die Notenbank enttäuscht haben. Gerade vom neuen Preisindex hatten sich beide viel erwartet, traf doch der „Verbilligungseffekt“ des neuen Preisindex im Jänner 1977 mit dem Vergleichsmonat Jänner 1976 zusammen, in dem dank Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2 Prozent der, Preisindex besonders stark angestiegen war.

Wenn die Bundesregierung und die Notenbank glaubten, sie könnten 1977 die Inflationsbekämpfung allein dem neuen Preisindex überlassen, dann hat der neue Verbraucherpreisindex schon versagt. Hat er doch der Opposition Recht gegeben, die von der größten Belastungswelle seit langem sprach. Der neue Index beweist, daß die zum Jahreswechsel iri Kraft gesetzten Tarif- und Preiserhöhungen jedermann stärker belasten, wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2 Prozent Anfang Jänner 1976.

Es ist daher gar nicht überraschend, daß die Regierung, die mit einer großen Aufklärungskampagne den neuen Index populär machen wollte, nun umschwenkt. Handelsminister Josef Staribacher erklärte nur drei Tage nach der Veröffentlichung des Preisindex vom Jänner 1977, die wesentlich erweiterte Beobachtungsbasis für den neuen Verbraucherpreisindex würde die Indexerhebungen trotz Computereinsatz sehr mühsam und arbeitsaufwendig gestalten. Er könne sich daher vorstellen, daß man in einiger Zeit wieder zu einer Indexberechnung auf einer kleineren Basis zurückkehre.

Vielleicht ist der neue Index aber auch nur zu mühsam und arbeitsaufwendig für alle jene, die bisher recht geschickt und erfolgreich versuchten, den Index zu manipulieren.

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