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Hinterhof

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Sascha Kronburg war vor der deutschen Besetzung Österreichs eine durchaus erfolgreiche Künstlerin in Österreich, Sie hatte eine ganze Reihe von Büchern ülu-striert, war also eine anerkannte Graphikerin. Mitten also im Aufstieg folgte sie ihrem Mann ins Ausland, in dem sie völlig andere Verhältnisse vorfand und in dem sie in keiner Weise eingewurzelt war. Aber die Problematik solch erzwungenem Emigrantentums ist ja bekannt genug.

Frau Kronburg hat sich in ihrer Kunst in den USA natürlich verändert, doch blieb ihr die Zartheit und Subtilität der Darstellung, die große Liebe zum Detail, die mit Präzision verwandt ist. In ihrer Wiener Zeit entstanden sehr viele Radierungen, und eine ist hier reproduziert worden.

Es handelt sich um eines der bei ihr seltenen sozialkritischen Blätter.

Hier ist das Grundgefühl Mitleid mit einem Kind, das in den Hinterhof blickt, wie aus einem Gefängnis in ein Gefängnis, und vor allem den Blick in den freien Himmel hin offen läßt. Ein wenig Himmel mit etwas Licht, vorbeiziehende Wolken halten die Sehnsucht nach Weite und Ferne wach.

Hier ist sehr viel Mauer, Enge und wenig Luft, und diese ist von Feuchtigkeit und Moder durchsetzt. Es lebt hier einzig das Kind, dem die Künstlerin viel Mitleid an-gedeihen läßt und auf das sich ihre Aufmerksamkeit konzentrierte, doch ist ihr aggressiver Protest fremd. Sie nimmt das Unglück der Kinder als unbegreifliches Schicksal hin. Man muß das Leiden letztlich dulden, die Mächte dagegen sind zu hoch und zu stark und fest,

als daß man etwas gegen sie tun könnte.

Die rechte Hand, mit der man zupacken können sollte, ist so hilflos klein geraten und liegt schlaff auf dem Fensterbrett. Das Gesicht ist mager, eingefallen die Wangen, es ist auch erblaßt und voller Müdigkeit und Schwäche, und es sieht so verloren nach oben, voll unerfüllbarer Träume und Wünsche, geduldig trauernd eine Mauer hoch, die nur Grenze ist. Und weil die Mauer so hoch ist, hat es nur wenig Chancen, den Himmel zu sehen, der über die Mauer zu sehen wäre. Und wenn es ihm gelänge, kostete es eine Menge Anstrengung.

Das Ganze zeigt eingeengtes, auf Sparflamme brennendes kindliches Leben, das einem Schicksal ausgeliefert ist, gegen das es nichts tun kann. Sein Träumen ist sein Opium, in dem jene Freiheit und jene Liebe ist, die ihm so sehr fehlen.

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