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Im Osten nichts Neues

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A uch Helsinki hat die Annähe-rang nicht gebracht. Als im Juli des Vorjahres die außerordentliche Generalversammlung der Europäischen Rektorenkonferenz (CRE) in Wien nicht den erhofften Erfolg brachte; als es damals nicht möglich war, auch die Universitäten „sozialistischer“ Staaten allgemein zur Zusammenarbeit zu gewinnen, da schien das Vorhaben vor allem am Widerstand jener westlichen Rektoren zu scheitern, die die Annäherung nicht mit dem Verzicht auf die Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit erkaufen wollten. Trotz der massiven Plädoyers der Franzosen und Italiener, den Kollegen aus dem Osten entgegenzukommen, platzte die Versammlung.

Dann ging Helsinki über die Bühne. Die Schlußakte zur Genfer Sicherheitskonferenz wurde unter dem Scheinwerfer weltweiter Propaganda unterzeichnet. Integrierender Bestandteil war der „Korb III“ mit den Formulierungen über den freien Austausch von Informationen und Meinungen und die Erleichterungen im kulturellen und menschlichen Bereich. Große Hoffnungen rankten sich in beiden Lagern gerade an diese Empfehlungen.

Hier waren auch die Universitäten direkt angesprochen. Als sich die Rektoren erneut — nun in Moskau im August 1975 — versammelten,schien es noch zu früh zu sein, Ergebnisse zu erwarten. Dann traf man sich im Mai 1976 in Triest, um die alten, in Wien abgebrochenen Gespräche wieder aufzunehmen. Mehr als eine Absichtserklärung war nicht zu erzielen. Schließlich lud die Europäische Rektorenkonferenz die Teilnehmer von Triest für Ende Oktober nach Athen ein, um speziell über die Ausführungen von Helsinki zu beraten.

Man erhielt nicht einmal eine Antwort; selbst die Universität Budapest, eines der wenigen östlichen Mitglieder der sonst auf den Westen beschränkten CRE, sagte kurzfristig ab. Lediglich Warschaus Rektor Rybicki, langjähriger Vorkämpfer der Kooperation, hielt, allein auf weiter Flur, das vereinbarte Einführungsreferat über die Evolution der Zusammenarbeit der europäischen Universitäten. Die Beratungen über die Schwierigkeiten dieser Zusammenarbeit, über die nächsten Schritte — das waren die weiteren Themen — liefen ohne jene ab, auf die sie gemünzt waren und ohne die sie ihren Sinn verloren hatten. Denn im Westen stößt die Kooperation auf keine Hindernisse.

Hier zeigte sich wohl am besten der Unterschied der beiden Systeme: die Autonomie, die im Westen, wenn auch mit graduellen Unterschieden, selbstverständlich ist und eine weitgehend unabhängige Vorgangsweise in den ureigenen Angelegenheiten erlaubt, existiert im Osten nicht. Die „sozialistischen“ Universitäten sind Staatsdienststellen. Über sie entscheiden nicht Rektoren, sondern Ministerialbeamte, wenn nicht Politiker. Darüber hinaus letzten Endes nicht die in Budapest, Prag oder Bukarest, sondern jene in Moskau. Solange die Sicherheitskonferenz noch auf der Wunschliste stand, durften die Rektoren ihren eigenen Interessen gemäß eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem Westen anbahnen. Jetzt, nach Helsinki, werden sie wieder zurückgepfiffen.

Im nächsten Jahr soll in Belgrad festgestellt werden, was sich in den zwei Jahren nach Helsinki getan hat, wie weit die Empfehlungen Wirklichkeit geworden sind. Die Rektoren des Westens wollen es nicht bei der Enttäuschung von Athen bewenden lassen. Eine Dokumentation wird in zwischen ausgearbeitet, die dann in Belgrad auf dem Tisch liegen soll. Finnland hat seine guten Dienste angeboten, weiter die Möglichkeiten von Kontakten zu sondieren. In Hei sinki wird die CRE ihre nächste Ge neralversammlung abhalten. Wird sie mehr Erfolg bringen?

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