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Im Zeichen der Ökumene

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Schon seit meiner Kindheit quälte mich der Gedanke, daß die christlichen Bekenntnisse einander bekämpften, daß es hier unwiderstehlichen Haß gab und sogar im Namen Christi, der gekommen war, um die Nächstenliebe zu predigen, immer wieder Blut floß. Eine Tatsache, die für ein Kind völlig unverständlich ist, ja selbst für den Erwachsenen schwer verständlich bleibt. Wenn man es vom psychologischen Standpunkt aus betrachtet, ist wohl bekannt, daß der Mensch dazu neigt, das Fremde, Unbekannte abzulehnen; er wül sich im Eigenen, Wohlbekannten geborgen fühlen. (Die Jugend freilich denkt anders, sie sprengt gerne die ererbten Grenzen und tradierten Rahmen und Will hinaus. Ein Glück, daß ihr jetzt die Möglichkeit gegeben ist, andere Völker und Sitten kennen und achten, das Gute am anderen heben zu lernen.) Natürlich gibt es auch andere, nicht unwesentliche theologische Fragen, die sich trennend auswirken können. Doch davon soll hier nicht die Rede sein.

Als meine beste Schulfreundin kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges ihr erstes Töchterlein gebar, war es sehr traurig, daß ich als Orthodoxe das katholische Kind nicht aus der Taufe heben durfte: man war zwar ein Christ, aber ein „Andersgläubiger“. Jahre vergingen, ich war indessen Taufpatin meiner evangelischen Nichte und eines kleinen orthodoxen Griechenbuben geworden, da baten mich wieder katholische Freunde, ihrem ersten Kind Patin zu sein. Traurig erwiderte ich, das sei ja leider nicht zulässig. Doch der Mann gab nicht nach und zog Erkundigungen ein. Und siehe da, es ergab sich, daß seit Johannes XXIII. ein orthodoxer Christ sehr wohl der Taufpate eines kleinen Katholiken sein durfte. Die Freude war groß und auch die Dankbarkeit gegenüber dem weitblickenden und großzügigen, wahrhaft christlichen Papst.

Schon früher waren mir weise und tolerante Priester verschiedener Bekenntnisse begegnet, denen konfessionelle Enge fern lag, da sie in der Wirklichkeit christlicher Liebe lebten.

Doch es gab auch andere, auch in der eigenen Kirche, die in gutgemeinter, aber fast naiver Enge an dem Althergebrachten hingen und das Andersartige nicht gelten ließen. Es war nicht leicht, mit ihnen in ein Gespräch zu kommen.

Desto beglückender war es, als in letzter Zeit die ersten Nachrichten zu uns drangen, daß man von orthodoxer Seite nichts dagegen habe, wenn Gläubige, bei Abwesenheit oder Fehlen eines eigenen Priesters, die Eucharistie in einer katholischen Kirche empfingen. Dieser erste, mit dem nicht sehr schönen Namen „Interkommu-nion“ bezeichnete Schritt, scheint mir außerordentlich wichtig und erfreulich in der'Zusammenarbeit und dem einigenden Streben der Kirchen. Es sieht sich an wie ein Wunder, daß hier wichtige Grenzen gefallen sind und verständnisvolle Liebe sie überwinden konnte. Dies und die Tatsache solch einigender Bestreitungen, wie der von Frere Roger in Taize von evangelischer Seite, Mutter Teresa in Kalkutta von katholischer und des indessen leider verstorbenen Patriarchen Athenago-ras in Konstantinopel von orthodoxer macht es möglich, daß man mit etwas mehr Hoffnung in die Zukunft unserer ansonsten so sehr gespaltenen Welt schauen kann.

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