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Initiative Pflegemutter

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Mutterliebe aus zweiter Hand ist besser als Heim.

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Mutterliebe aus zweiter Hand ist besser als Heim.

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Ein neun Monate altes Baby wurde schon zweimal seinen Eltern wegen Mißhandlungen entzogen. Die Hälfte seines kleinen Lebens mußte es bereits in einem Heim verbringen. Nun hat es liebe Pflegeeltern und zwei „Geschwister" gefunden. Schnell und unbürokratisch konnte die Aktionsgruppe „Initiative Pflegemutter" vermitteln.

Diese Gruppe setzt sich dafür ein, den Kindern ein Heimschicksal zu ersparen. Sie hat bereits 27 Kinder in 17 Pflegefamilien untergebracht Es ist jedoch nicht immer leicht zu erfahren, wann ein Kind in ein Heim eingewiesen wird.

Eines Tages hörte die Aktionsgruppe von einer Pflegemutter, daß in einem Städtischen Krankenhaus ein knapp zweijähriger Bub mißhandelt und halb verhungert eingeliefert wurde. Sie benachrichtigte sofort eine vorgemerkte Pflegeanwärterin, Frau B., die gleich zusagte, das Kind zu nehmen. Sie setzte sich persönlich mit der betreffenden Spitalsabteilung und dem zuständigen Jugendamt in Verbindung. Doch das Amt' lehnte jede Auskunft ab und behauptete, in diesem Fall nichts tun zu können.

Darauf urgierte die „Initiative Pflegemutter" bei der Kinderüber-nahmsstelle die Erledigung. Das war Freitag mittag. Am Montag früh meldete Frau B., sie habe bereits seit Sonntag „ihr" Pflegekind. Eine Erledigung binnen 48 Stunden, die möglicherweise sonst Monate gedauert hätte, das Kind wäre - wie es oft geschieht - zumindest vorübergehend in einem Heim gelandet.

Leider sind das keine Einzelfälle. Obwohl alle befaßten Stellen sich darin einig sind, daß eine Pflegefamilie unbedingt einem Heim vorzuziehen ist, wird von den amtlichen Stellen allzugern der für sie einfachere Weg begangen. Schließlich sind Heim und Pflegepersonal vorhanden, die Fürsorgerin hat es leichter, ihre Schützünge zu betreuen.

Die Aktionsgruppe „Initiative Pflegemutter" in der Pfarre Krim in Wien hat sich aber zum Ziel gesetzt, kein Kind in ein Heim kommen zu lassen. Denn schon binnen kurzem, und vom jüngsten Säugling an erleiden die Kinder auch im bestgeführten Heim oft irreparable „Heimschäden".

Kinderpsychologen, Ärzte, Soziologen und Pädagogen sind davon überzeugt, daß Gefühlskälte, schwere Anpassungsfähigkeit, Aggressionen, verringerte Gewissensund Hemmungsbildung, geringe Intelligenzentwicklung durch Heimerziehung verursacht werden und später leicht ein Abgleiten in Kriminalität bewirken.

Kann ein Kind nicht in der eigenen Familie aufwachsen, so ist nach Meinung der Fachleute die „zweitbeste" Lösung eine Pflegefamilie. Heime werden nur als Notlösung angesehen. Durch intensive Werbung konnte die Pfarre Krim dem Jugendamt der Stadt Wien bereits 75 qualifizierte Pflegeeltern nennen, die bereit sind, ein oder mehrere Kinder - etwa Geschwister- aufzunehmen. Wen es nötig ist, wird eine Beihilfe zum Pflegegeld geleistet.

Im Arbeitsjahr 1978/79 hat dieser Hilfsfonds der Aktionsgruppe für Start- und Überbrückungshilfe, Anschaffungskosten und sonstige Beihilfen an die 100.000 Schilling ausgezahlt. Die Gemeinde gibt 14mal im Jahr 1850 Schilling für ein Pflegekind aus. Nicht viel, wenn man bedenkt, daß ein Heimplatz auf 7000 bis 10.000 Schilling monatlich veranschlagt wird.

Die Mitarbeiter der „Initiative" betreuen auch „ihre" Familien. Sie sorgen für kostenlose oder verbilligte Babysitter, "für Oma- und Tantendienste am Wochenende, für verbilligte Ferienaufenthalte, Rechts- und Versicherungsberatung u. a.

Die Idee der „Initiative Pflegemutter" ist mittlerweile in die Bundesländer vorgedrungen. Der Verlag Veritas in Linz wird nun einen Rundbrief über die „Initiative Pflegemut ter" an alle 3100 Pfarren in ganz Österreich versenden. Die Wiener Aktionsgruppe hofft, daß ihr Modell der Hilfe für Pflegekinder und -müt-ter auch in den Bundesländern übernommen wird, um ein möglichst dichtes Netz von lokalen Kontaktzentren aufzubauen.

„Jedes einzelne Kind, das aus dem Schatten des Lebens in die Wärme einer Familie geholt wird, ist eine gewonnene Schlacht für gesundes, glückliches Menschenleben", sagt Pater Andreas Laun, der Leiter der „Initiative Pflegemutter". Jeder kann dazu mithelfen, entweder sich selbst zur Verfügung stellen, Verantwortung übernehmen oder durch einen Beitrag die unterstützen, die diese wichtige Aufgabe leisten. (Erste österreichische Spar-Casse, Konto-Nr. 051-33680)

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