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Kannitverstan

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Die vielgesichtige Donau, „der ungeheure Strom, der nicht nur dem Lauf der Sonne, sondern seltsamerweise auch dem der Erde zuwiderläuft”, wie Strindberg meinte, in dessen Fluten sich die Türme der Dome des Westens und die Minarette der Moscheen des Ostens spiegeln, einmal Grenzstrom, nachher völkervermischend wirkend, wird in einem 1970 erschienenen Bildband des Pinguin-Umschau-Verlages unter den verschiedensten Aspekten beleuchtet und dargestellt. Adelbert Muhr, Autor des Buches, weiß viel über Landschaft, Flora und Fauna, Geschichte, Kunst und die zahlreichen Völker, welche an den Ufern dieses Morgenlandstromes des Abendlandes lebten und leben, zu erzählen. Auch von der Schiffahrt und den modernen Kraftwerken, welche die Donau jetzt, in viele elektrische Speicher umzu- wandefh beginnen, »1st hier’3dte »Rede, im ganzen ein leicht lesbares Buch, bereichert mit .vielen bekannten hind .weniger bekannten^, ganzseitigen Farbphotographien. („Die Donau im Farbbild” — 47 Farbtafeln, Text von Adelbert Muhr. Pinguin-Verlag, Innsbruck / Umschau-Verlag, Frankfurt am Main, 1970, 128 Seiten.) Otto Swoboda

Von der Avantgarde-des-dames, Friederike Mayröcker, neu: „Fantom Fan”. Ich versteh schon, vom Titel abgesehen, die Widmung nicht recht, (dedicated to the idea of „SNOOPY”.) Die vielgepriesene Dichterin ist Englischlehrerin, hör ich. Was soll man da machen, wenn man vor einem halben Jahrhundert hauptsächlich in Latein und Französisch ausgebildet wurde und seither nur in Deutsch einiges dazugelemt zu haben glaubte. Und mein Langen- scheidt-Dictionary ist noch unmoderner, nämlich Jahrgang 1902. Den Begriff „SNOOPY” sollte vermutlich ein Literaturkritiker kennen, der up to date sein will. Doch schon bei der ersten Überschrift happert’s wieder: „Crashproof”; ein Krachversuch? Und wenn ja, was ist das? Fantom wird in besagtem Dictionary noch phantom geschrieben, und bei fan steht: Fächer, Wedel. Alles veraltet, aber was ein Fantomwedel wäre, kann man sich auch vorstellen, ohne mit der Wiener Gruppe verwandt zu sein.

„Crashproof” hebt dann genau so an:

ja aber da musz ich erst’s bild vom zeppelsperl habm das kriegst morgn ich möcht gern was schreibm dazu es ist ein busenbild fein ich schreib lieber was wenn ich was seh in farbm und ganz irr das hab ich besonders gern.

Ich nicht, offen gestanden. Es folgt „Pick mich auf, mein Flügel…”, und zwar „(für Emst Jandl)”. Daß sie so einen Pick (mich auf, mein Flügel…) auf ihn hat, hätte man nicht gedacht, wenn man sie im Palais Pälffy, ganz vorne, friedlich nebeneinander sitzen sah. Da kommen Injurien vor, wie:

har du sett min lila katt? die lila Katz’ das Fluszband —

Oder auch: („Haben Sie schon mal im Lotto gewonnen, Sie trotz kist?1”) Das erinnert geradezu an Günter Eich mit seinem „Je mer desto jewski”. Offenbar sind sie alle gleich originell. Weitere Invektiven: „Morden Sie funktionell & fröhlich!” Viel Spaß. Oder: „Treiben Sie abstrakte Akrobatik!” Sowie: „Rufen Sie ihr Auto heimlich JESUS!” Marand- josef. „Programmieren Sie den Ausverkauf der Sprache!” Aha, jetzt sind wir endlich im Bilde.

Eine andere Kostprobe, graphisch präzis wiedergegeben:

(Sie treten jetzt bitte auf den Gang!”)

(Sie hörfink! — sind Sie beim hörfunk?”)

(„komm machn wir’n mulatschak!”) („bin eine blute…”)

DANDKE FÜR HANDKE und so ähnlich weiter. Und man versteht Helmut Heißenbüttel, der

(hinten, auf der Werbeseite, zitiert) über die Mayröcker sagt: „Reiz hat auch das völlig Unentzifferbare.” Und ein anderer soll geschrieben haben, „diese Texte stellen in der Sprachbehandlung einen Glücksfall in der neuen Literatur dar” und seien „ein Leseabenteuer ersten Ranges.” Eher ein Entzifferungsabenteuer und leider nichts für einen, der nie etwas für Kreuzworträtsel übrig hatte. Eine rätselhafte Vokabellitaned geht aus vom: haxlbeiszen —

weben (webem) & widerstehn — ekel & schäm züchten — Regieanweisungen bewurzeln — Prosekturen montieren — Sphären abstinken lassen — den Süden unten weisz werden lassen — schlick-schlick küssen

— kolben — b laibergen — e-mutie- ren — fliegen — zäsieren — schlachten — erzherzogen — poren — hori- zonten — hulatschen — lampedusen

— käfern — boxen — lächeln — winken — flüchten — Stiefmüttern — suchmühlen — dornen — flanken — martern — balgen — brief en — keinen — zrklrn — vergröööszem — feixen — fixieren — aktn — kindm

— lesn — jazzn — febern — märzn

— laichn — tauffn — wittgn — irrn

— irrn — irrn — irrn — irrn —

irrn

Also wittgn spielt auf Wittgenstein an, das ist klar, aber warum ausgerechnet sechsmal irrn und hernach

12 Punkterln? Geheimnisvoll und eindrucksvoll ist auch:

hinnern Huise Hellering vorn Huise BELLERING

up der Däle Kritze kratze in dr Stiuben Buff-d-baff rame mal wat is dat?

Ja, wat is dat? Wo sind die Zeiten der Untermittelschule mit jenen ausgelassenen Zehnuhrpausen-Ulk- gesängen! Auf eine damals gängige Melodie: „Wasche mit Luft — koche mit Gas — rasie-ie-iere dich im Dunkeln!” Heutzutage liegt derlei, verschlüsselt und verfeinert, in Buchform vor. Aprilscherz. Faschingshetz? Zweifellos nicht. Denn ein vorangegangenes Buch war „mit einem linguistisch gestrengen Nachwort von Max Bense” versehen. Doch stellt Heißenbüttel fest, daß ihrer Lyrik „mit den Kriterien des romantischen Gedichts nun endgültig nicht mehr beizukommen ist”. Wie einst dem Mörike, mit seiner öden Gefühlsduselei. Aber welche „Kriterien” gäbe es für „das völlig Unentzifferbare”? Eher lern’ ich den Laotse irh Original lesen. Zukunftsalptraum: Sämtliche Werke solcher Art, sagen wir in zehn Bänden zu je 500 Seiten. Da ginge der älteste Bücherwurm zugrunde, wie abgehärtet er auch wäre, und krümmt sich ersterbend zum Analphabeten. Preisfrage: Gibt es etwas Blöderes als Leser? Ja doch: Lektoren. Nein, nein, pardon: Juroren sind der Gipfel. (Die Einreihung von Kritikern unterbleibt aus Kollegialität.)

FANTOM FAN. Von Friederike Mayröcker. Rowohlt-Verlag, Reinbeck bei Hamburg, 1971.109 Seiten.

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