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Keine Entschuldigungen

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Die Entfremdung zwischen den USA und Schweden begann mit dem amerikanischen Bombenkrieg in Vietnam, und sie hat seitdem an Stärke nur zugenommen. Bereits der Vorgänger des letzten amerikanischen Botschafters in Schweden (der Stockholm im Sommer des Vorjahres verlassen hat) wurde wegen der schwedischen Kritik der amerikanischen Kriegsführung in Südostasien

zeitweise abberufen. (Nach der Abberufung Mr. Jerome Hollands weigerte sich Präsident Nixon, einen Nachfolger zu ernennen. Und als sich Schwedens Premier Palme kurz vor Weihnachten sehr kritisch über die Bombardierung Hanois und anderer vietnamesischer Städte aussprach, erfolgte auch die Abberufung des amerikanischen Geschäftsträgers in Stockholm. Gleichzeitig wurde der

schwedischen Regierung mitgeteilt, daß Washington keinen Wert darauf lege, einen neuen schwedischen Botschafter zu akkreditieren.

Sieht man von Vietnam und Nordkorea ab, so dürfte es zur Zeit kein Land in der Welt geben, zu dem die amerikanischen Beziehungen so schlecht sind wie zu Schweden. Ruft man sich in Erinnerung, daß Schweden durch lange Jahre nach Kriegs-

ende von anderen Europäern „unser eigenes Amerika“ genannt wurde und daß wohl in keinem anderen Land Europas die Amerikabegeisterung so hohe Wellen schlug wie gerade in Schweden, dann erscheint diese Wandlung um so merkwürdiger.

Doch diese Entfremdung — die sich auf offizieller amerikanischer Seite in offene Feinschaft verwandelt zu haben scheint, wird von vielen einsichtsvollen Leuten diesseits und jenseits des Atlantik bedauert.

Mit großem Interesse sieht man deshalb einem Treffen zwischen dem

Präsidentenberater Henry Kissinger und Schwedens Premier Palme entgegen, das — aller Voraussicht nach — demnächst stattfinden wird.

Am 10. Mai beginnt in Saltsjöba-den außerhalb Stockholms das Jahrestreffen der sogenannten Bilderberggruppe, deren Vorsitzender Prinz Bernhard der Niederlande ist und der vor allem international bekannte Persönlichkeiten der Finanz und des Wirtschaftslebens angehören. Sowohl Henry Kissinger als auch Olof Palme sind zum Besuch dieser Tagung eingeladen worden. Schon 1962 fand ein Treffen dieser Gruppe in Stockholm statt, und damals nahmen an ihm außer dem amerikanischen Vizeaußenminister Georg Ball auch Dean Acheson, die Leiter des FIAT- und des Renault-Konzerns, einige Mitglieder der Familie Rockefeiler, die Leiter großer europäischer und amerikanischer Banken und der damalige Staatsminister Tage Erlander teil.

Schon zu dieser Zeit hatte es scharfe schwedisch-amerikanische Gegensätze, vor allem in der

Europamarktfrage, gegeben, hatte doch Georg Ball ein äußerst scharfes Vorgehen gegen Länder wie Schweden verlangt, die sich weigerten, der EWG bedingungslos anzugehören. Bei einem privaten Essen hatte damals der amerikanische Botschafter Tage Erlander, Handeisminister Lange und die Mitglieder der amerikanischen Regierung zusammengeführt und eine Besänftigung der erregten Stimmung erreicht. Doch diesmal gibt es in Stockholm keinen amerikanischen Botschafter, ja nicht einmal einen Geschäftsträger mehr, und der einzig denkbare Vermitt-

lungsversuch könnte von selten internationaler Finanzkreise kommen.

Aufkommende Hoffnungen auf eine Entspannung hat jedoch Henry Kissinger selbst erst vor kurzem gegenüber einem norwegischen Journalisten zerstört, als er sagte, daß „führende schwedische Kreise“ die USA erst einmal wegen des Ausdruckes „Nazisten“ um Entschuldigung bitten müßten, bevor es zu normalen diplomatischen Beziehungen kommen könne. Nun weiß Henry Kissinger sicher sehr gut, daß der Ausdruck „Nazisten“ gar nicht gefallen ist. Wenn das nicht geschehen ist, was steht dann der Wiederaufnahme solcher Beziehungen eigentlich noch im Wege?

Auf eine Entschuldigung wegen der schwedischen Kritik an der amerikanischen Kriegsführung in Vietnam aber wird Washington vergeblich warten, denn hinter dieser Kritik standen alle politischen Parteien Schwedens, was die jüngst durchgeführte außenpolitische Diskussion von neuem bekräftet hat.

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