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Brechen die USA mit Schweden?

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Am 27. November wurde die schwedische Öffentlichkeit von der Meldung überrascht, daß das Generalkonsulat der Vereinigten Staaten von Nordamerika in Göteborg, dem größten schwedischen Hafen, geschlossen werden soll. Der amerikanische Generalkonsul, Mr. Virgil Elliot, erfuhr von diesem Beschluß der amerikanischen Regierung aus der Tagespresse. Auch die amerikanische Botschaft in Stockholm konnte erst am Nachmittag desselben Tages die Richtigkeit der Meldung bestätigen. Der Vorfall beleuchtet den Temperaturstand, den die schwedisch-amerikanischen Beziehungen heute erreicht haben.

Der Posten des amerikanischen Botschafters in Stockholm ist nach dem Amtsantritt Nixons nicht mehr besetzt worden, und nun soll also auch das Generalkonsulat in Göteborg verschwinden. Der Hinweis auf Sparmaßnahmen, dem auch andere Konsulate — doch nicht ein einziges Generalkonsulat! — zum Opfer fallen sollen, leuchtet hier niemandem ein. Denn hier handelt es sich nicht nur um das größte Generalkonsulat in Skandinavien und in der größten Handelsstadt Schwedens, sondern auch um das älteste amerikanische Konsulat außerhalb Amerikas überhaupt. Es ist bereits im Jahre 1797 von George Washington errichtet worden, als Dank dafür, daß Schweden als erster Staat in der Welt die Vereinigten Staaten von Nordamerika anerkannt hatte. Nun 1st groteskerweise die Schließung letzten Endes darauf zurückzuführen, daß Schweden als erster Staat der westlichen Welt die Regierung von Nordvietnam anerkannt hat Die jetzigen Machthaber in Washington sind nicht nur mit einer monströsen Unkenntnis über die Haltung freier Nationen behaftet, ihnen fehlt auch jedes Gefühl für die geschichtlichen Zusammenhänge!

Kein Echo

Über die schwedisch-amerikanischen Beziehungen fällt seit langem der blutige Schatten der Tragödie in Vietnam. Es ist nicht nur die Anerkennung Nordvietnams durch die schwedische Regierung, nicht nur die Asylgewährung für über 300 amerikanische Deserteure, es ist vor allem auch die harte Kritik, die in schwedischen Zeitungen und Büchern und auf den sogenannten Vietnam-Konferenzen in Stockholm gegen den Krieg der Amerikaner in dem unglücklichen südostasiatischen Land gerichtet worden ist, die in Amerika eine immer größer werdende Irritation hervorgerufen hat. In dieser Entwicklung ist etwas Zwangsläufiges: Das von Militärbündnissen freie Schweden konnte leichter als andere westliche Länder zu der gefährlichen Entwicklung in Vietnam Stellung nehmen, und seine Schriftsteller und Journalisten, in denen noch etwas vom Geist der alten Bauemrebellen des ehemaligen Wikingerlandes lebendig ist, nahmen früher als ihre Kollegen in anderen Ländern zum schauderhaften Geschehen in Vietnam Stellung. Sven Oste, der sich als erster westeuropäischer Berichterstatter lange Zeit in Vietnam und Laos aufhielt, schildert in „Dagens Nyheter“ vom 28. November die Verzweiflung und Mutlosigkeit, die ihn erfaßten, als seine Berichte von Massenmorden in Vietnam, versehen mit genauen Angaben über die Zahl der Opfer und den Ort des Geschehens, keinerlei Reaktion hervorriefen. Er schrieb und schrieb, schilderte Vergewaltigungen und Morde an Vietnamesen, doch es gab kein Echo, keine „Untersuchung“, es gab nur verlegenes Schweigen der westlichen Welt.

Die Erklärung des schwedischen Außenministers, nach der Schweden über 200 Millionen Kronen für humanitäre Hilfe und für den Wiederaufbau Vietnams zur Verfügung stellen will, führten lediglich zu Boykottdrohungen in den USA, bei denen sich einige rechtsradikale Gewerkschaftsführer besonders hervortaten. Auch ein Boykott schwedischer Handelsfahrzeuge und der schwedischen Autoeinfuhren wurde angedroht. Es ist bemerkenswert, daß die Schließung des Generalkonsulates in Göteborg gerade die Handeisschiftfahrt und die — in Göteborg konzentrierte — Autoindustrie treffen muß. Aber auch die bisherige schwedisch-amerikanische Zusammenarbeit auf wissenschaftlichem Gebiete, die ebenfalls in Göteborg ihren Hochsitz hatte, muß dadurch schwer betroffen werden.

Recht zur Kritik

Wie soll das weiterführen? Schwedens Außenminister Nilsson hat auf einer Parteikonferenz in Malmö am 22. November betont, daß die bedingungslose Unterstützung der Militärjunta in Saigon nach seiner Auffassung das größte Hindernis für eine friedliche Lösung in Vietnam ist. Die Regierung in Saigon habe bisher nicht das geringste Interesse an der Bildung einer breiten Koalitionsregierung bewiesen. Die angestrebte sogenannte „Vietnamisierung“ des Krieges aber erwecke böse Ahnungen, könne eine solche Politik doch dahin führen, daß Vietnamesen nun in einem lange hinausgezogenen Krieg einander bekämpfen, mit Hilfe einer umfassenden amerikanischen Waffenhilfe! Einmal nach dem anderen erreichten uns Berichte über erschütternde Grausamkeiten in Vietnam, sagte Torsten Nilsson. Hier kann man nur von Kriegsverbrechen sprechen, und die öffentliche Meinung der Welt kann sich nicht nur einfach in Schweigen hüllen vor dem, was hier an Leiden und menschlichen Opfern aufeinandergehäuft wird. Schweden habe großes Interesse an guten Verbindungen mit beiden Supermächten. Doch gute Verbindungen schließen nicht das Recht zur Kritik aus.

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