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Körpersprache

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Was haben Bruno Kreisky und Bundeskanzler Vranitzky gemeinsam? Eine ganze Menge, meinen die politologischen Monophysiten: die Positionen im Staate und in der Partei, die Fähigkeit, die Bevölkerung zur Stimmabgabe zu bewegen und dabei im Alleingang die Wahlen gleich auch zu gewinnen, die spürbare Distanz zu allen sozialistischen Ideen, sofern sie sozialistischer sind als konservative Hirtenbriefe.

Aber es gibt auch Dualisten unter den Politprofis, und die sagen, daß die beiden rein gar nichts gemeinsam hätten. Das sähe man schon an der Art, wie sie mit ihren Augengläsern umgehen oder umgegangen sind. Kreisky hatte - erinnern Sie sich noch? - zwei Brillen. Die Art, wie er sie jeweils auf die Nase setzte, abnahm, in den Mundwinkel steckte, signalisierte, wie er die Menschen wahrnahm, die von ihm etwas wollten. Und das waren in den Jahren seiner politischen Macht ja nicht eben wenige. Er nahm sie ernst, und das sprach sie an.

Die blanken Augen, bar der optischen Barriere, sagten: „Sprich nur, ich höre Dir zu." Das liebten alle, vor allem die Medienmenschen, die es ihm reichlich dankten. Bundeskanzler Vranitzky bevorzugt ein, gewiß nicht billiges Binokel, das die Tendenz hat, auf der Nase nach vorne zu gleiten. Wenn das Gestell nach unten rutscht, erscheinen die klugen Augen. Freilich, sie stechen -das geht gar nicht anders - unter hochgezogenen Brauen hervor und attackieren solchermaßen das Publikum. Hinter dem optischen Zaun seiner Brille schaut der strenge Professor seine Studenten in ganz Österreich an und zeigt ihnen, wie schwierig die Situation ist, in die sie, die widerspenstigen Staatsbürger, die sie nun einmalsind, ihren geplagten ÜberVater wieder einmal gebracht haben. Eigentlich müßte er ja nun böse sein, aber einmal würde er noch Gnade vor Recht ergehen lassen und weiter so gut regieren wie bisher.

Wenn Kreisky - wie so häufig - mit sonorer Stimme in einschläferndem Tempo nichts sagte, dann wandte man sich beruhigt wieder seinen Geschäften zu. Wenn Vranitzky in mäßig gepflegtem Wienerisch dasselbe äußert, hat man ein schlechtes Gewissen.

Woher ich das alles so genau weiß? Samy Molcho hat es mir verraten. Der Meister der Körpersprache hört nicht nur hin, wenn jemand etwas sagt, er schaut auch genau zu!

Und oft sagt der Körper etwas ganz anderes, als der Mund gerade spricht. Das kann man lernen, und viele haben bei Professor Molcho schon studiert.

Also aufgepaßt, wenn Sie demnächst einen Geschäftspartner anschwindeln wollen. Es könnte jemand sein, der bei Samy in die Körpersprachschule gegangen ist.

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