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Koordinierte Aktionen

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Die tschechoslowakischen Behörden, die nun Pavel Kohout ausbürgerten, schlossen sich auch in dieser Frage würdig dem sowjetischen Beispiel an (Fall Rostro- powitsch) und holten den Vorsprung der DDR auf (Fall Biermann). Warum griffen sie zu dieser Maßnahme?

Es drängt sich die Frage auf, ob das Husak-Regime, das ja so gerne verschiedene Jahrestage feiert, damit nicht ein durchaus eigenwilliges Jubiläum begehen wollte. Die Möglichkeit, jemanden nach Machtwillkür seiner Staatsbürgerschaft zu entledigen, existierte auf dem Gebiet der CSSR keineswegs schon immer.

Am 3., 10. 1939 erließ der Reichsprotektor für Böhmen und Mähren eine Verordnung, wonach die im Ausland lebenden Angehörigen des Protektorats als ausgebürgert erklärt werden konnten, falls sie Taten begingen, die geeignet waren, die Interessen des Deutschen Reiches zu schädigen oder das Ansehen des Reiches zu vermindern …

Nach 1945 war etwas ähnliches in der ČSSR nicht mehr möglich. Erst wieder ab dem Jahr 1949. Und das ist eigentlich wieder ein Jahrestag, bloß diesmal der dreißigste.

Trotz der Vorliebe für verschiedenste Jubiläen ist das nicht der eigentliche Grund. Die Aktion gegen Kohout ist ein Bestandteil der koordinierten Aktionen im sowjetischen Block, deren Ziel es ist, die kritischen Stimmen, die Menschen und Bürgerrechtsbewegungen, die sogenannten

Dissidenten zum Schweigen zu bringen.

Es begann mit außerordentlich harten Repressionen gegen die Verteidiger der Menschenrechte in der UdSSR (Prozesse gegen Schtscharanski, Orlow und andere), setzte sich mit den Repressionen in der DDR fort, wo seit August neue Strafgesetze - bekannt unter der treffenden Bezeichnung „Maulkorbgesetze“ - in Kraft sind; eine weitere Fortsetzung bildet der bevorstehende Prozeß gegen zehn Charta-Aktivisten in Prag.

Polen hebt sich vorläufig in dieser Reihe ab: In diesem Land, in dem dauernd ein Ausbruch der Unzufriedenheit droht, ist die Position der katholischen Kirche zu stark. Zudem war es notwendig, „den Verlauf des Besuches des Papstes Johannes Paul II. sicherzustellen“; dieser Besuch berührte bereits unmittelbar „die hohe Politik“ - und daher muß man auch die Polizei etwas am Zügel halten.

Ich denke, daß die totalitären Regimes im sowjetischen Block hier aüsprobieren, wie weit sie gehen können, bis sie auf einen wirklich ernsthaften Widerstand bei den westlichen Partnern der Entspannungspolitik stoßen. Sobald sie auf einen solchen Widerstand stoßen, werden sie sich für eine Zeitlang mäßigen - so wie es in der Zeit um die Helsinki- Konferenz war.

Aber wenn nicht - warum sollten sie es nicht versuchen, die Helsinki- Abkommen in den Fragen des „dritten Korbes“ in den sprichwörtlichen Fetzen Papier zu verwandeln, bedeuten diese Abkommen für viele Machthaber des sowjetischen Blocks doch in Wirklichkeit nur einen Fetzen Papier? ‘

Der Fall Kohout zeigte das anschaulicher als andere. Als die tschechoslowakische Botschaft den bekannten Text, in dem von „strategischen Gründen“ für die Freundschaft zwischen Österreich und der ČSSR die Rede ist, veröffentlichte, zeigte sich deutlich die Atmosphäre, in der so etwas geschrieben wurde.

Die eindeutige und entschiedene Haltung von Bundeskanzler Bruno Kreisky und aller politischen Kräfte in Österreich (nur in der „Volksstimme“ war bis zum Dienstag nichts zu finden) bewog das Prager Außenministerium, die Presseabteilung der Botschaft zum Sündenbock zu machen. Aber selbst wenn das Außenministerium recht hätte, bleibt die Frage, welche Aussagen und Ansichten die Botschaftsbeamten wohl täglich zu hören bekommen, daß sie so etwas schreiben können.

Ich persönlich glaube aber nicht, daß es sich ein niedriger Beamter in einem so autoritären System, wie es das Auslandsressort unter Vasil Bi- lak ist, leisten könnte, ohne Zustimmung viel höher gestellter politischer Autorität einen ähnlichen Text in Umlauf zu geben. Daher eröffnete der Fall Kohout viel ernstere Fragen über das Verständnis der Entspannungspolitik, als es die Frage des persönlichen Schicksals eines Schriftstellers und Dramatikers tun könnte.

(Übersetzung aus dem Tschechischen: Dagmar Bauz.)

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