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Licht auf allen Schwellen

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In Mödritz bei Brünn in Mähren am 9. Juni 1903 geboren, erlebte er aber, 1905 nach Wien gekommen, bewußt nur die Stadt. Das bunte, wechselvolle und kontraststarke Bild der Großstadt wurde ihm zum Erlebnis und Spannungsfeld, das ihn zur künstlerischen Auseinandersetzung drängte, ob als Maler, Musiker, oder Dichter. Wechselhaft wie sein künstlerisches Tendieren gestaltete sich auch sein äußerer Lebensweg. Mach der Mittelschule wurde er Assistent einer Abendschule, literarischer Leiter einer Volksbücherei, Hauslehrer, Volksbildner und Redakteur einer Lokalzeitung. Neben aller beruflichen Beschäftigung ging eingehendes Befassen mit Literatur sowie das Studium der Musik- und Kunstgeschichte.

1927 wurde er Beamter der Gemeinde Wien. Eine erste berufliche Fundierung, die er damit gefunden hatte, war sicher dafür Voraussetzung, daß er sich künstlerisch fand. Er entschied sich endgültig für die Dichtung. Und so entstanden ab dieser Zeit seine ersten Gedichte, für die der sozial und national stark differenzierte Großraum der Stadt, dieser einstmalige „Schmelztiegel“ eines großen Reiches, Stoff ihm bot. Aber auch die Landschaft der Stadt und um die Stadt, wird Bild im Gesang. 1936 bis 1938 veröffentlichte Gunert seine ersten Dichtungen in Zeitschriften und Zeitungen und profilierte sich mit diesen. Denn auch schon in seinen frühen dichterischen • Arbeiten ist das Bilderfassen des Malers und das Malen ins Detail ebenso unverkennbar wie seine Musikalität in der Modulation am Klang der Verse und später dann an der Polyphonie seiner weiträumigen großen Gesänge.

Von 1938 bis 1946 verbieten ihm seine Gesinnung und sein aufrechtes Menschentum, im Sinne der „gesäuberten Kunst“ zu produzieren und zu

publizieren. 1942 wurde Gunert Soldat. 1944 kam er in Kriegsgefangenschaft, aus der er erst 1946 wieder nach Wien zurückkehrte. Vom Grauen menschlichen Niedergangs, dem Erlebnis eines so unbarmherzigen wie sinnlosen Krieges, schrieb er sich jetzt frei. So entstanden seine Gedichtbücher, gleichsam in der Polarität von „Was du verlierst“ und „Säe ins Unkraut dein Korn“: „Irdische Litanei“, 1945, „Das Leben des Malers Vincent van Gogh“, 1949, wohl eines seiner bedeutendsten Bücher, „Überall auf unsrer Erde“, 1952, „Aller Gesang dient dem Leben“, 1956, „Inschrift tragend und GebMd“, 1958, „Es geschehen Zeichen“, 1968.

Gunerts Gedicht ist nach innen gerichtet, er versucht, die Tiefe auszuloten, er sucht die Aussprache, nicht die Ansprache, die existentielle Verlorenheit in der Verborgenheit hinter Maske und Schein, die den Menschen bestimmen und verderben, liebenswert und haltlos machen. Er will gleichsam alles sagen, er will bis zur Wurzel aller Dinge und Übel vordringen: um uns und in uns. Er will demaskieren, „Licht auf alle Schwellen“ bringen. Nichts soll, uns verschlossen, unbekannt, niemand allein und vergessen im Dunkeln bleiben. Er will Licht ins Dunkel tragen:

„Das Dunkel liegt auf allen Schwellen —

Brich auf, du Licht, sie zu erhellen!“

So richtet er sein Leben und sein Werk aus: ein Dienen dichterischer Schönheit einer ehrlich gemeinten Kunst. Gunert, der Präsident der Grillparzer-Gesellschaft ist, würde für seih dichterisches Werk mit dem Würdigungspreis der Stadt Wien, dem österreichischen Staatspreis und dem Titel eines Professors ausgezeichnet.

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